Fried-Preis an Oskar Pastior

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"Vom Sichersten ins Tausendste" heißt der erste Lyrikband, den der 1927 in Hermannstadt geborene Oskar Pastior nach seiner Ausreise aus Rumänien 1969 veröffentlichte. Lustvoll destruiert er seit Jahrzehnten sprachliche Sicherheiten und entlockt seinem Sprachmaterial Tausende Möglichkeiten. Vergangenen Sonntag wurde er dafür mit dem mit 14.500 Euro dotierten Erich-Fried-Preis 2002 ausgezeichnet. Als alleinige Jurorin war von der Internationalen Erich-Fried-Gesellschaft Christina Weiss, mittlerweile Staatsministerin für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland, bestellt worden.

"Ich möchte denjenigen ehren, dessen Worte mir die deutsche Sprache neu entdeckt haben. Wörter, die nicht im Alltag vorkommen. Seine Wörter jagen denen, die an die Eindeutigkeit der Kommunikation glauben, schieren Schrecken ein. Die Begegnung mit der Sprache Oskar Pastiors erzeugt lustvolles Erstaunen vor der eigenen Unkenntnis und Ungenauigkeit im Umgang mit der Sprache", begründete Christina Weiss ihre Wahl - was natürlich sofort darauf neugierig macht, wie sie mit diesem Sprachbewusstsein in der Phraseologie der Realpolitik überleben wird. Dass sie Franz Morak bei der Preisübergabe verbal die Daumen für die Wahl drückte, wurde von Teilen des Publikums mit Hohn quittiert, scheint aber gewirkt zu haben.

Pastiors Lesung bei der Preisverleihung in der Kunsthalle Wien machte einmal mehr die lustvolle Musikalität seiner vielgestaltigen Sprachexperimente deutlich. Sie kommen aus einer Sprachbiografie, "zu der Pastior aktiv und passiv verfügbare Kenntnisse von Dialekt, Muttersprache, Staatssprache, Wandersprache, Schulsprache, Landessprache und Privatidiomen zählt", wie bei der Verleihung des Ehrendoktorates der Lucian-Blaga-Universität Hermannstadt gesagt wurde. Er ist auch der Übersetzer rumänischer Avantgardeautoren wie Tristan Tzara oder Gellu Naum. Traumatisiert durch die Deportation in sowjetische Arbeitslager als Siebzehnjähriger und die politische und künstlerische Isolation hat er Rumänien verlassen, aber der mehrsprachigen Kultur Siebenbürgens ist er auch in Berlin treu geblieben.

Über 30 Lyrikbände hat Pastior selbst geschrieben. Mit Listen, Wortreihen, Anagrammen und Zahlensystemen treibt er gerne sein Spiel und setzt dabei auf Sprünge, Assoziationen und Experimente. "Jeder Einfall ist mindestens ein Zweifall", sagte er in einem Gespräch. Im Hanser-Verlag erschien zum 75. Geburtstag eine Neuauflage von "Jalousien aufgemacht. Ein Lesebuch".

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