Frieden ist noch weit

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In Bosnien geben sich sozial engagierte Künstler derzeit die Klinke in die Hand. Initiativen von Prominenten wie Luciano Pavarotti oder Bianca Jagger garantieren dem Kriegsverlierer maximale Weltöffentlichkeit und volle Unterstützung beim Wiederaufbau.

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In Bosnien geben sich sozial engagierte Künstler derzeit die Klinke in die Hand. Initiativen von Prominenten wie Luciano Pavarotti oder Bianca Jagger garantieren dem Kriegsverlierer maximale Weltöffentlichkeit und volle Unterstützung beim Wiederaufbau.

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Opernstar Luciano Pavarotti deponierte drei Tage vor Weihnachten medienwirksam sein soziales Engagement: Zusammen mit den Popgrößen Brian Eno und Bono Vox (U2) eröffnete der Startenor bei strömendem Regen das Music Centre in Mostar. Auf den Ruinen einer Schule im moslemischen Osten der herzegowinischen Hauptstadt wurde vom Erlös zweier Benefizkonzerte für umgerechnet 84 Millionen Schilling ein Musikzentrum mit Schulungsräumen und Aufnahmestudios errichtet, in dem nach den Vorstellungen Pavarottis Kinder ihr Kriegstrauma beim Singen loswerden sollen. Der weltberühmte italienische Sänger und seine Mitstreiter leihen ihre Publizität der britischen Organisation "War Child", die während des Balkankrieges vor allem Lebensmittel und Hilfsgüter nach Bosnien schickte. Jetzt geht es darum, mit therapeutischen Projekten die psychischen Folgen des Krieges auszumerzen und das Zusammenkommen der verfeindeten ethnischen Gruppen zu fördern.

Zwei Jahre nach der Unterzeichnung gilt das Friedensabkommen von Dayton, das einen teilweise neugeordneten Vielvölkerstaat in der bosnischen Föderation wieder auferstehen lassen soll, als gescheitert. Bis heute ist es den internationalen Organisationen und Friedenstruppen nicht gelungen, Serben, Kroaten und Moslems wieder zusammenzubringen.

Das spiegelt sich auch in der Kulturszene. Viele international gefeierte Größen wie "Underground"-Regisseur Emir Kusturica haben die Kriegsjahre im feindlichen, aber friedlichen Belgrad verbracht. Seit er serbisch grüßend auf einem Zeitungsfoto entdeckt wurde, braucht er sich in seiner Heimatstadt Sarajewo nicht mehr blicken zu lassen. Er sei zum Feind übergelaufen und habe die Stadt im Stich gelassen, werfen ihm die Dagebliebenen oder mittlerweile selbst Zurückgekehrten vor.

Ein Zeichen setzen Diese kulturelle Lücke schließen jetzt vor allem aus der westlichen Welt stammende Sangeskünstler. Das ungewöhnliche Trio Pavarotti, Eno und Vox leistete schon im Herbst 1995 mit einem Benefizkonzert und dem Klassikpophit "Miss Sarajewo" Pionierarbeit. Die Ex-Frau des Rolling Stones-Sängers Bianca Jagger kümmerte sich während des Krieges um die medizinische Versorgung verletzter Kinder und arbeitet bis heute mit verschiedenen Menschenrechtsorganisationen in Bosnien zusammen.

Und während Charles Ansbacher, der Ehemann der scheidenden US-Botschafterin in Österreich Swanee Hunt, drei Monate nach Kriegsende das Neujahrskonzert in Sarajewo dirigierte, feierte U2-Sänger Bono Vox ein paar Straßen entfernt mit dem ehemaligen bosnischen Außenminister Muhamed Sacirbegovic'und einigen geistigen Getränken den Jahreswechsel. Das Resultat der freundschaftlichen Zusammenkunft konnte die Welt im September vergangenen Jahres im Fernsehen verfolgen: Das U2-Konzert in Sarajewo.

Die Veranstaltung der aufwendigen Pop Mart Show im ehemaligen Olympiastadion sollte ein Zeichen setzen. Unter dem Motto "Back to normal" (Zurück zur Normalität) wollte die irische Popband beweisen, daß im schwer zerstörten Kriegsgebiet wieder alles machbar ist. Die Show unterschied sich denn auch nur durch den Verzicht auf Verfolgerspots durch das Publikum von den übrigen Konzerten der Welttournee. Die Vorbereitung war freilich komplizierter. So mußte der österreichische Veranstalter Wolfgang Klinger die Maschinen für den Bühnenaufbau von der internationalen Friedenstruppe leihen.

Internationale Organisationen verkauften Konzertkarten in der Serbischen Republik und mieteten Busse, um Konzertbesucher aus den anderen Regionen nach Sarajewo zu transportieren. Am Tag des Konzertes sind erstmals seit Beginn des Krieges wieder Züge durch das Land gefahren. Das schwierige Unternehmen gelang: Vom bosnischen Präsidenten Alija Izetbegovic', der die Schirmherrschaft übernommen hatte, bis zu hochdekorierten, internationalen Militärrepräsentanten und Österreichs Altvizekanzler Erhard Busek erlebten insgesamt 45.000 Menschen die größte Veranstaltung seit Kriegsbeginn.

Das gelungene Konzert, dessen Sicherheitsrisiko nicht unbeachtlich war, hat auch die Einheimischen ermutigt, im Veranstaltungssektor wieder aktiv zu werden. So hat der Radiosender Hayat jüngst mehrere Stars zum Golden Rose of Peace Festival in die Veranstaltungshalle Skenderija geladen. Außer dem Philharmonieorchester der Stadt und heimischen Stars soll vor allem Eros Ramazotti ein volles Haus garantieren. Zum zweiten Mal in diesem Winter gastiert im Rahmen dieses Festivals auch Yusuf Islam, besser bekannt als Cat Stevens.

Rege Moslempartei Der 1979 zum Islam konvertierte Alternativrocker gab sich schon im November drei Songs lang die Ehre bei einer von der Moslem-Partei SDA gesponserten Veranstaltung und zitierte dabei, wie Gäste berichteten, immer wieder via Mikrophon den Koran.

Um so politisch einseitig orientierten Veranstaltungen den Wind aus den Segeln zu nehmen, sind Veranstalter und Projektleiter aus dem Ausland darauf bedacht, die Wiedervereinigung der ethnischen Gruppen zu forcieren. Das Grazer Büro für Frieden und Entwicklung eröffnet zum Beispiel gerade in Sarajewo ein Büro, das Geld für Kulturprojekte bereitstellt. Voraussetzung für die Förderung soll jedoch sein, daß die ethnischen Gruppen zusammenarbeiten.

Daß sich die von arabischen Ländern finanziell unterstützte Bosniakenpartei SDA immer wieder in den Vordergrund spielt, erlebte der Koordinator der österreichischen Wiederaufbauhilfe Alexander Petritz. Als Österreich sich bereit erklärte, den Wiederaufbau der zerstörten Nationalbibliothek zu finanzieren, stattete die Partei am Tag der Vertragsunterzeichnung Bauarbeiter und Gebäude mit ihren Emblemen aus und verkündete stolz vor laufenden Kameras, die SDA habe die Renovierung der Bibliothek ermöglicht. Daß das Staatspräsidium lediglich für die Putzereiarbeiten im Vorfeld des Wiederaufbaus aufkommt, blieb unerwähnt.

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