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Auch hierzulande pflegt man sich über Berlusconisierung und Telekratie südlich des Brenners zu mokieren. Das politische Hickhack um den ORF steht den italienischen Verhältnissen aber wenig nach.

Undenkbar: Die resolute Fragerin brachte den Ministerpräsidenten so in Rage, dass derselbe vor den Augen von 3,6 Millionen Zuschauern schimpfend das Studio verließ. Undenkbar, aber doch geschehen in der Berlusconidominierten TV-Landschaft Italiens, noch dazu im öffentlich-rechtlichen Sender RAI.

Undenkbar in Österreich?! Wahrscheinlich schon deswegen, weil Österreichs Kanzler für öffentliche Ausbrüche weit weniger anfällig ist als sein cholerischer Kollege südlich des Brenners. Undenkbar aber auch, dass man Wolfgang Schüssel hierzulande einer Lucia Annunziata, jener Interviewerin, die Silvio Berlusconi so aufbrachte, gegenübergesetzt hätte. Bei aller Wertschätzung für Armin Wolf & Co: Die heimische Anstalt demontiert keine Spitzenpolitiker im Interview. Jedenfalls keine der ganz Wichtigen, schon gar nicht aus den Regierungsparteien. Und überhaupt nicht die politischen Landesfürsten in den Regionalsendungen eines hypertrophen Föderalismus, denen sich der ORF zu befleißigen hat.

In Österreich geht es subtiler zu: Noch keinen Monat ist es her, da saß Wolfgang Schüssel zur Primetime im ORF-Olympiastudio aus Turin. Und weil der Moderator da offenbar zu lange mit dem Schiverbandspräsidenten via Handy parlierte, stürmte ORF-Sportchef Elmar Oberhauser vor den Augen von 565.000 Zuschauern durchs Bild und zerrte den Moderator am Ärmel: Der Kanzler ist im Studio, und nun muss er warten! Der Ärmelzupfer wirkte natürlich; Schüssel hatte dann Dutzende Minuten Zeit, seine Sport-und Dopingansichten zu verbreiten.

Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass dem botmäßigen ORF-Sportchef zur Zeit wieder einmal Interesse für einen der Posten an der ORF-Spitze zugetraut wird. Wahlzeit ist auf dem Küniglberg - eine besondere Pikanterie, weil kurz danach Wahlzeit für den Nationalrat ist. Und da darf der Politik, die sich wie eh und je den ORF als Spielwiese hält, kein Fehler passieren.

Also fliegen die Hackeln, und Berufene wie Unberufene positionieren sich: Die ÖVP (nicht zuletzt Mediensprecher Wilhelm Molterer) findet Monika Lindner und ihre Performance toll. Alfred Gusenbauer und Josef Cap hingegen meinen das Gegenteil und wollen Alexander Wrabetz, den SP-nahen Säckelwart des ORF an der Spitze sehen.

Letzterer wird aber vom Oberbetriebsrat des ORF in Interviews angeschüttet: Heinz Fiedler, qua Amt Mitglied im entscheidenden Stiftungsrat, mischt sich seit Jahrzehnten in die Generals-Findungen auf dem Küniglberg ein. Auch er favorisiert Monika Lindner und bringt weitere Namen ins Spiel: Werner Mück oder Werner Mück in Pension lautet zur Zeit die Frage nach dem Informationsdirektor. Der Genannte positioniert sich ebenfalls öffentlich - und grundsätzlich gegen die SPÖ, die ihrerseits erklärt, Mücks Wahl zu was im ORF auch immer verhindern zu wollen.

Und weil die ÖVP keine absolute Mehrheit im Stiftungsrat hat, braucht sie Verbündete - etwa vom BZÖ, also könnte man wieder einen ORF-Generalsekretär installieren, damit ein attraktiver Posten für deren Parteigänger zu haben ist. Zur Erinnerung: In Lindners Team gibt es ja schon jetzt genug Leichtgewichte. Der gegenwärtige Informationsdirektor war ein personelles Zugeständnis an den Kärntner Landeshauptmann, die Tätigkeit des (dem BZÖ zugerechneten) Online-Direktors blieb Beobachtern weitgehend verborgen, und ein - zwecks Beruhigung des damaligen Partners FPÖ installierter - Chefredakteur musste wegen rechtslastiger Aktivitäten zuletzt an die Kandare genommen werden.

Politisch korrekte Beobachter pflegen die Medienmonopolisierung und die Telekratie in Italien anzuprangern. Zu Recht. Aber man sollte den Blick auch diesseits des Zauns belassen. Was da oft vergessen wird: Der ORF - und nicht die Krone! - ist das weitaus größte Medium im Lande. Und seit Jahr und Tag Spielball der Politik. Zur Zeit hat es sich Schwarz-(Blau)-Orange gerichtet; die derzeitige Diskussion zeigt einmal mehr, wenn es könnte, würde Rot würde kaum weniger frivol agieren. Über die so wichtige inhaltliche Positionierung öffentlichen Rundfunks in Österreich wird in dieser unendlichen Polit-Farce dann gar nicht mehr nachgedacht. Statt dessen muss man sich mit Grausen auf besonders intensive Monate an Parteien-Hickhack um den ORF einrichten.

otto.friedrich@furche.at

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