Fromme Muslimas ohne Kopftuch

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In ihrem Gutachten zum Thema Kopftuch suggeriert die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, es gäbe eine einzig gültige Position im Islam dazu - nämlich die der strengen Verpflichtung. In der Theologie wird das Thema allerdings differenziert diskutiert. Einer der anerkanntesten zeitgenössischen Gelehrten im Westen ist der in den USA wirkende Professor Khaled Abou El Fadl. Dieser sieht im Kopftuch gerade in nicht-islamischen Ländern, in denen muslimische Frauen wegen des Tragens des Kopftuchs benachteiligt werden könnten, explizit keine Pflicht. Er empfiehlt sogar, auf das Kopftuch zu verzichten, wenn es dazu führt, dass Frauen belästigt werden.

Er begründet dies damit, dass der Grund, wofür das Kopftuch zur Zeit des Propheten geboten war, heute in westlichen und vielen weiteren Gesellschaften nicht mehr gegeben ist, nämlich der Schutz der Muslimas vor Belästigung und davor, dass sie in der Gesellschaft auffallen. Im Gegenteil, sagt Abou El Fadl, gerade das Kopftuch verursache, dass Frauen, die es tragen, stärker Belästigungen ausgesetzt sind und erst recht dadurch auffielen. Er beruft sich u. a. auf die koranische Aussage: "Prophet! Sprich zu deinen Frauen und deinen Töchtern und zu den Frauen der Muslime, sie sollen ihre Übergewänder reichlich über sich ziehen.

So ist es am ehesten gewährleistet, dass sie dann erkannt und nicht belästigt werden. Und Gott ist allverzeihend, barmherzig."(Koran 33:59) Zur Zeit des Propheten Mohammed war das Kopftuch ein Unterscheidungsmerkmal zwischen freien Frauen und Sklavinnen; nur freie Frauen durften ein Kopftuch tragen, nicht jedoch Sklavinnen. Abou El Fadl sieht daher im Kopftuch lediglich eine soziale Funktion, die damals der Unterscheidung zwischen freien Frauen und Sklavinnen diente. Jede Frau soll für sich entscheiden, ob das Kopftuch für sie wichtig ist. Die Frage nach ihrer Frömmigkeit hängt nicht damit zusammen.

Der Autor leitet das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster

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