Frommer, liberaler und orthodoxer Jude zugleich

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Nur Gutes und Holdes verfolgen mich nun alle Tage meines Lebens, ich kehre zurück zu deinem Haus für die Länge der Tage." Dieser Psalmvers (23/6) in der Übersetzung Martin Bubers schmückt die Parte von Richard Ames, der am letztwöchigen Dienstag im 74. Lebensjahr verstorben ist. Kurz zuvor war er für eine vierte Amtsperiode als jüdischer Vizepräsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit bestätigt worden.

Ames wurde am 20. August 1931 in Cleveland/Ohio, usa, geboren. Nach Musik- und Gesangsstudium an der New Yorker Juilliard School of Music, am Conservatorio Giuseppe Verdi in Mailand, sowie einem Kantoren-Studium bei Henry Rosenblatt, war er als Tenor in Deutschland engagiert und sang seit 1968 an der Grazer Oper - mit vielen Gastengagements in Brüssel, Rom, Budapest, Monte Carlo etc.

Seit seiner Pensionierung widmete sich Ames dem Dialog der Religionen, besonders der christlich-jüdischen Verständigung. Seit 1999 war er jüdischer Vizepräsident des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit und engagierte sich auch im Beirat der Kontaktstelle für Weltreligionen. Außerdem war er in verschiedenen - sowohl orthodoxen als auch liberalen - jüdischen Gemeinden als Kantor tätig. Ames verspürte in sich einen tief empfundenen Chassidismus (aus Osteuropa stammende jüdische Frömmigkeitstradition), da die Vorfahren seiner mütterlichen Familie aus Lemberg stammten. Und obwohl Ames an der Rolle litt, die das orthodoxe Judentum der Frau zuteilt, bemühte er sich, innerhalb des Judentums den Dialog mit der Orthodoxie zu befördern.

Richard Ames war auch ein beliebter Vortragender: Seine Themen reichten vom Gebetsschatz des Judentums über Kabbala und die Rolle der Frau im Judentum bis hin zum jüdischen Witz. Kompetent und kurzweilig gelang es ihm, einen sympathischen Einblick ins Judentum zu gewähren und Brücken zwischen Juden, Christen und Muslimen zu bauen. Sein Humor trug wesentlich dazu bei, Grenzen zu überwinden und neue Begegnungen zu ermöglichen. Vielleicht war es für ihn, dessen Familie und er selbst als Amerikaner nicht durch die Schrecken der Schoa gehen mussten, auch einfacher, den neuen Weg zum christlichen Gegenüber zu gehen.

"Biblisch gesehen gibt es keine stärkere Nähe und Gemeinschaft als zwischen den Israeliten und den Gojim", davon war Richard Ames überzeugt: "Beide sind Schüler und Lehrlinge der Tora, auf der Suche nach der Wegweisung, der Halacha, also des Gesetzes. Das ist Utopie und begründete Hoffnung zugleich: Utopie, weil in der Geschichte keinen Ort habend und begründet, weil dies eine Verheißung Gottes ist. Und Gott steht zu seinem Wort."

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