Fronius Doppelpack

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Hans Fronius bei zwei Ausstellungen: "Erschreckend - Wahr" in Wien und "... in alter Wertschätzung" in Linz.

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Hans Fronius bei zwei Ausstellungen: "Erschreckend - Wahr" in Wien und "... in alter Wertschätzung" in Linz.

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Von Isabella Marboe Otto Mauer, hager, seelenhaft, mit fahler Gesichtsfarbe, herabgezogenem Mundwinkel und weiß strahlendem Priesterkragen: so malte ihn Hans Fronius 1976. Der kunstbesessene Priester, charismatische Prediger und Sammler hatte Fronius stark beeindruckt, in einem Brief an seinen Freund Alfred Kubin schrieb er über seine erste Begegnung mit Mauer. Die Skizze, die er beifügte, ist nun in der Ausstellung "Erschreckend - Wahr" im Wiener Dom- und Diözesanmuseum unter 80 anderen, bisher weitgehend unveröffentlichten Werken aus der Sammlung Otto Mauer zu sehen.

Fronius wurde 1903 in Sarajewo geboren, als Kind musste er das Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand mit ansehen. Ein Erlebnis, dessen Schrecken Fronius ein Leben lang prägte. Düster, voll Angst und Schauer sind seine Grafiken und Kreidezeichnungen. Besonders begabt war er als Illustrator: Kafka und Poe zählten zu seinen Lieblingsautoren, das namenlose Grauen in ihren Erzählungen verstand Fronius in Bildern umzusetzen. Das Bedrückende ist allgegenwärtig, Nachtgestalten und Finsternis regieren das Werk. "Kafka in Prag" ist ein einmaliges Porträt des Dichters, scharfkantig hebt sich sein leidendes Halbprofil vom dunklen Haar und Mantel ab, leicht hingeworfen dahinter die Karlsbrücke mit Stadtkulisse.

Beeindruckend ist der souveräne Umgang mit der Kreide, der Fronius ganz und gar untypische Effekte entlockt: Kontraste blitzen auf, Licht und Raum, Tiefe und Kontur kommen zum Vorschein. Fronius' Arbeiten sind gegenständlich, doch von so freiem Strich, dass das Dargestellte mit dem Urgrund des Unaussprechlichen verschwimmt. Auch in den Religiösen Bildern zeigt sich diese Stärke: Die Gesichter der Wallfahrer verschwimmen in Fratzen, Verbissenheit, Leid, Euphorie drücken sich darin aus, Bewegung und Einheit, Stärke, die ins Gute oder Böse kippen kann.

Bis 19. Mai Von Ulrike Engl Künstlerfreundschaften in irgendeiner Weise miterleben oder nachvollziehen zu können, bedeutet für den Normalbürger immer etwas Faszinierendes, man stellt sich tiefschürfende Gespräche oder Korrespondenzen vor, den Austausch geschriebener oder gemalter Werke und bemerkt verständnisvoll lächelnd, dass auch Kunstschaffende ganz menschliche Alltagsprobleme miteinander zu bewältigen versuchen.

Gelegenheit zu diesen Erfahrungen bietet die Landesgalerie Oberösterreich mit Bildern zum Briefwechsel von Alfred Kubin und Hans Fronius. Der Sammlungstitel "... in alter Wertschätzung" bedarf keiner weiteren Beziehungsinterpretation. Wieder einmal fördert Kubin einen jüngeren Kollegen, ja er erkennt in ihm sogar "seinen Spiegel".

Die Ausstellung in Linz gewährt dem Besucher einen doppelten Einblick, denn er kann nicht nur die Grafiken bewundern, die die Künstler einander zukommen ließen, sondern zu eben dieser Schau erschien auch das Buch "Alfred Kubin - Hans Fronius. Eine Künstlerfreundschaft. Briefwechsel 1931 bis 1956". Es berührt den Leser sehr, hier einem Kubin zu begegnen, der sich nichts Schreckliches, Alptraumhaftes von der Seele schreiben muss, sondern der mit großer Einfühlungsgabe, dem jungen Freund Fronius beisteht - sowohl künstlerisch, als auch ganz entscheidend und tief menschlich. Und natürlich erkennt man auch im Buch viele Grafiken wieder, die im Gotischen Zimmer der Landesgalerie zu bewundern sind. Da hat Fronius 1942 den "Besuch in Zwickledt" mit einer Feder in Tintenzeichnung wiedergegeben, wo die beiden einander gegenübersitzen und Kubin seinem Kollegen volle Aufmerksamkeit schenkt.

Überhaupt scheint der Gesichtsausdruck des alten Meisters auf den jüngeren eine große Faszination ausgeübt zu haben. Ohne Todesschrecken und sehr friedlich ruhend, verewigte Fronius in einer bewegenden Kreidezeichnung den verstorbenen Freund (1959). Und Kubin zeichnete in Feder "Für Hans Fronius in alter Wertschätzung" das "Porträt eines alten Mannes" (1953). Eine Weihnachtsgabe, für die sich Fronius mit einem menschlich warmherzigen und künstlerisch versierten Brief bedankte.

Bis 27. Mai

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