Vier Jahre nach Kriegsende ist die Zukunft des Kosovo nach wie vor ungewiss. Das österreichische Bundesheer stellt ein Kontingent in der internationalen Kosovo-Force (KFOR) und ist damit an der Sicherung des Friedens beteiligt. Auch die katholische Kirche in Österreich versucht, durch Förderung des religiösen Dialogs, den Versöhnungsprozess zu fördern. Ein Furche-spezial in Kooperation mit dem Institut für Religion und Frieden beim Militärbischofsamt. Ethnische Spannungen, 60 Prozent Arbeitslosigkeit - das Kosovo ist auch vier Jahre nach Kriegsende eine Krisenregion. Was allein die Menschen in dieser Tristesse aufrichtet, ist die europäische Perspektive.
Die ersten Truppen der NATO, die im Juni 1999 im Kosovo einmarschierten, wurden von der kosovo-albanischen Bevölkerung mit erleichtertem Jubel begrüßt. Der Einmarsch war für Hunderttausende, die in den vorangegangenen Wochen, Monaten und Jahren vor der brutalen Unterdrückung durch das MilosÇevi´c-Regime geflohen waren, das Zeichen zur Rückkehr in ihre Heimat und zum Beginn des Wiederaufbaus. Zugleich begannen Vertreibung und Flucht der Kosovo-Serben.
In den vier Jahren, die seither vergangen sind, hat sich die Lage im Kosovo, wie es die Vertreter der Internationalen Gemeinschaft so gerne nennen, "normalisiert". Häuser wurden wiederaufgebaut, Schulen wurden instandgesetzt, einzelne Betriebe nahmen ihre Tätigkeit wieder auf. Seit Februar 2002 hat Kosovo eine gewählte provisorische parlamentarische Versammlung sowie eine provisorische Regierung.
Dies sind jedoch in Wahrheit nur erste Schritte auf dem Weg zu einem Leben, wie wir es kennen: in Frieden, demokratischer Freiheit und wirtschaftlichem Wohlstand. Die ethnischen Spannungen sind kaum geringer geworden; immer wieder kommt es zu brutalen Übergriffen auf Kosovo-Serben. Die meisten der im Kosovo verbliebenen Serben - derzeit noch etwa fünf Prozent der kosovarischen Bevölkerung - wohnen heute auf engstem Raum zusammengepfercht in Orten, aus denen sie sich nur unter militärischem Schutz herauswagen.
Demokratie und Freiheit sind weder aus kosovo-serbischer noch aus kosovo-albanischer Sicht verwirklicht: Während die einen die Rückkehr der serbischen Verwaltung erträumen, streben die anderen nach vollkommener Unabhängigkeit. Und wirtschaftlicher Wohlstand schließlich ist ein Privileg, das nur ganz wenige genießen. Bei einer Arbeitslosigkeit von über sechzig Prozent lebt ein großer Teil der kosovarischen Bevölkerung - Albaner wie Serben - hingegen in Armut.
Auch in den albanisch besiedelten Regionen des benachbarten Mazedonien und Südserbien scheint noch kein dauerhafter Friede eingekehrt zu sein. Während sich gemäßigte Kräfte aller Seiten um politische Lösungen mit weitreichenden Autonomiegarantien bemühen, beschwören bewaffnete extremistische Gruppierungen weiterhin eine Vereinigung aller ethnischen Albaner in einem Staat. Und die politischen Führer in Belgrad und PriÇstina waren nur durch großen Druck der Internationalen Gemeinschaft zu einem ersten Gespräch, das am 14. Oktober in Wien stattgefunden hat, zu bewegen.
Kosovo, völkerrechtlich gesehen immer noch eine Provinz Serbiens, wird heute von einer Mission der Vereinten Nationen unter Mitwirkung der OSZE und der EU verwaltet. Konkret bedeutet dies die Anwesenheit von einigen Tausend internationalen Zivilisten, die in den verschiedensten Bereichen der Verwaltung - von der Ausübung der höchsten gesetzgebenden Funktionen über die Gestaltung und Ausstellung von Personaldokumenten bis hin zum Aufbau kommunaler Abfallwirtschaft -, aber auch in der Aus- und Weiterbildung der kosovarischen Beamten, Parlamentarier und der neuen multi-ethnischen Polizei tätig sind.
Über 20.000 Soldaten und 4.000 Polizeibeamte aus rund 40 Ländern gewährleisten derzeit noch die Sicherheit. Während in der kosovarischen Bevölkerung der Unmut über die UNO-Verwaltung in den letzten Monaten bedauerlicherweise gestiegen ist, schätzen viele Kosovaren die Anwesenheit der fremden militärischen Truppen durchaus. Man vertraut ihnen als Garanten für Sicherheit und Stabilität und lobt die kompetente Hilfe der zivil-militärischen Zusammenarbeit CIMIC.
Die internationale Präsenz im Kosovo, zivil ebenso wie militärisch, wird in der nächsten Zeit unweigerlich abnehmen. Bereits jetzt macht sich die Verlagerung der internationalen Aufmerksamkeit auf "neue" Krisenherde wie Irak und Afghanistan durch den Abzug ganzer Truppenkontingente, aber auch durch das Ausbleiben von Hilfsgeldern bemerkbar. Es ist jedoch mehr als fraglich, inwieweit Kosovo, seine Bevölkerung und die Region bereit sind für einen solchen Abzug. Zu viele Probleme scheinen noch ungelöst. Zu weit divergieren die Vorstellungen der Beteiligten von der Zukunft des Kosovo.
Die Hoffnung vieler Menschen in der Krisenregion Balkan liegt heute vor allem in einer engeren Anbindung an die Europäische Union. Von ihr erwartet man sich positive Auswirkungen auf die Wirtschaftsentwicklung und auf die politische Stabilität. Das Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU im Juni in Thessaloniki, bei dem diese von einer "europäischen Perspektive" für die Länder der Region gesprochen haben, hat dieser Hoffnung Auftrieb gegeben.
Auf dem langen Weg nach Europa wird Kosovo noch viel Hilfe benötigen, und wir alle sind aufgerufen, dazu unseren Beitrag zu leisten - sei es durch konkrete Hilfe vor Ort oder durch verständnisvolles Interesse für die Region.
Die Autorin
leitete das Austrian Embassy Liaison Office in PriÇstina und arbeitet zur Zeit in der Vertretung Österreichs bei den Vereinten
Nationen in New York.
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