Frühe Väter der Propagandaschlachten

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Am Anfang der modernen Öffentlichkeitsarbeit stand Napoleon. Seine Erfolgskonzepte bewähren sich noch heute, wie Geschichte und Gegenwart der Propaganda zeigen.

Zu allen Zeiten wollten die Mächtigen den Informationsfluss beherrschen. Neu im Fall Napoleons war, wie gut er die Wirkungsweise der Medien einzuschätzen verstand und mit welcher Intensität und Systematik er Pressepolitik betrieb. Er stützte sich dabei auf seine Erfahrungen aus den Revolutionsjahren und die schon zuvor im Absolutismus entwickelten Methoden, von der Zensur bis hin zur Staatszeitung.

Strategien, die schon vor 200 Jahren Erfolg versprachen, kommen auch im 21. Jahrhundert zum Einsatz: offensive Pressefeldzüge als Karriereturbo; aktive Propaganda durch Anhänger oder bezahlte PR-Spezialisten; das Bemühen selbst demokratischer Regierungen, sich auf fragwürdige Weise ein Meinungsmonopol zu sichern und kritische Medien auszuschalten; in extremen Fällen werden Journalisten verhaftet oder gar ermordet.

Skrupellos, aber erfolgreich! So lässt sich Napoleons Pressepolitik charakterisieren. Grund genug, um in nachfolgenden Politikergenerationen zahlreiche Nachahmer zu finden.

Demontage der Pressefreiheit

Pressefreiheit ist ein Segen: wenn man an die Macht will. Man kann die Regierung kritisieren und sich selbst als verheißungsvoller, besserer Kandidat positionieren. Eine aggressive Medienkampagne ebnet den Weg an die Staatsspitze.

Die Französische Revolution 1789 brachte in Frankreich die Pressefreiheit, woraufhin fast jeder Politiker eine Zeitung als Sprachrohr seiner Ideen gründete. Napoleon wurde auf seinen ersten Feldzügen in Italien und Ägypten aktiv und gab beispielsweise Armeezeitungen heraus, die von Anfang an auf ein Ziel ausgerichtet waren: das Machtzentrum in Paris.

Von diesem aber war Napoleon weit entfernt. Ein Nachteil? Kaum. In Paris regierte seit 1795 ein fünfköpfiges Direktorium, das als korrupt und innen- wie außenpolitisch unfähig galt. Im Gegensatz zu diesem stellte sich Napoleon in den Medien als ehrlicher Revolutionsheld und neuer Caesar dar. Die letzte Hoffnung Frankreichs.

Pressefreiheit ist ein Fluch: wenn man an der Macht ist. Obwohl Napoleon die Presse geschickt für seine Ziele einzusetzen verstand, blieb sein Verhältnis zu ihr gespannt. Denn eine derart wirkungsvolle Waffe konnte genauso viel Schaden wie Nutzen anrichten. "Wenn ich der Presse die Zügel locker ließe, würde ich keine drei Monate im Besitz der Macht bleiben“, war Napoleon überzeugt. Radikal reduzierte er die Zahl der Zeitungen und demontierte nach und nach die revolutionäre Pressefreiheit, bis 1810 auch de iure wieder die Zensur eingeführt war.

Zudem erfolgte eine straffe Zentralisierung des Informationsflusses. Alle Zeitungen in seinem Machtbereich mussten sich nach seiner Staatszeitung, dem "Moniteur“, richten.

Redakteure und Verleger wurden vor wirtschaftliche Existenzfragen gestellt: Konzessionen für die Herausgabe von Zeitungen, Privilegien und Vorteile gab es nur gegen eine nachgewiesen ‚gute‘ Gesinnung; wer sich nicht an Napoleons Spielregeln hielt, sah sich durch Berufsverbot und Verhaftung bedroht. Selbstzensur war ratsam, so lautete die klare Botschaft. Ansonsten konnte man im schlimmsten Fall vor einem napoleonischen Exekutionskommando landen wie der Nürnberger Buchhändler Johann Philipp Palm: Er hatte es gewagt, 1806 die anonyme Schrift "Deutschland in seiner tiefen Erniedrigung“ zu verlegen.

Neben der restriktiven Pressepolitik kam die aktive nicht zu kurz: Schreiben und schreiben lassen, hieß die Devise. Denn gute Presse kommt nicht immer von allein, da sollte man schon etwas nachhelfen. Napoleon griff selbst oft zur Feder und beauftragte Untergebene oder professionelle Publizisten damit, PR-Beiträge zu verfassen. Viele Artikel erschienen anonym - die Leser sollten nicht erfahren, woher der Wind wehte, sondern an unabhängige Stimmen glauben.

Napoleon legte Wert auf kontinuierliche Medienpräsenz, denn aus der Presse ist aus dem Sinn. Durch die Berichterstattung sollte sein Image als Sieger, Problemlöser und Friedensstifter gefestigt werden. Jeder Erfolg wurde mit seinem Namen verknüpft. Die Verantwortung für jede Fehlentscheidung wurde konsequent anderen zugeschrieben. Nicht einmal der ägyptische Wüstensand konnte Spuren auf seiner weißen Weste hinterlassen.

Die Wiener Regierung und ihre Medien

Was sich vor 200 Jahren in der österreichischen Hauptstadt abspielte, stand im krassen Widerspruch zum aktuellen Medientransparenzgesetz. Neben der Verschärfung der Zensur war gerade im Propagandakrieg gegen Napoleon aktives Handeln gefragt. Ziel der Regierung war die größtmögliche, zugleich aber geheime Einflussnahme auf die Medien.

Am 2. Januar 1805 unterstellte Kaiser Franz II./I. die inhaltliche Leitung der "Oesterreichisch-kaiserlichen privilegirten Wiener-Zeitung“ der Polizeihofstelle. Während die Zeitung im Eigentum der van Ghelen’schen Erben verblieb, wollte der Kaiser die Redaktion "einem oder zween in meinen unmittelbaren Diensten stehenden vertrauten Männern von den nöthigen Kenntnissen, […] und einer geprüften guten Denkungsart, als Amtssache“ übertragen. Die Wahl fiel auf Joseph von Hormayr und Johann Michael Armbruster.

1808 wurden zudem die "Vaterländischen Blätter für den österreichischen Kaiserstaat“ gegründet, ein PR-Organ, das im In- und Ausland Werbung für die Monarchie betrieb. Als Redakteur wurde wiederum Armbruster eingesetzt, die Oberaufsicht erfolgte ebenfalls durch die Polizeihofstelle. Zweck der Zeitschrift war es laut amtlichen Schriftverkehr, "durch eine kluge, von der Hand der Staatsverwaltung selbst im Stillen geleitete Publizität der öffentlichen Meynung unvermerkt die gehörige Richtung“ zu geben und "mit Entfernung des Scheines von offizieller Tendenz Tatsachen und Ideen, deren Verbreitung Wunsch und Wille der Staatsverwaltung ist, in Umlauf zu bringen“.

Auch die breitenwirksame Boulevardpresse wurde in den Dienst der staatlichen Pressepolitik genommen. Seit Jahren gab Joseph Richter die beliebten, satirischen "Briefe eines Eipeldauers an seinen Herrn Vetter in Kakran über d’ Wienstadt“ heraus, in der ein angeblicher Bauer über die Vorgänge in Wien berichtete. Von Regierungsseite bekam er Berichte zugesandt, die er ganz im Stil des Eipeldauers umschrieb und veröffentlichte - und ein vom Kaiser gewährtes monatliches Gnadengehalt von 30 Gulden aus den geheimen Polizeigeldern.

In den Kriegsjahren 1805 und 1809 besetzte Napoleon Wien. Während die meisten von der österreichischen Regierung beeinflussten Medien ihre Arbeit einstellen mussten, erschien die "Wiener Zeitung“ weiter: Nun aber als französisches Propagandainstrument. Denn wer die Macht hat, tut fast alles, um die Medien und damit die öffentliche Meinung zu beherrschen. Napoleon stand am Anfang. Ein Ende ist nicht abzusehen.

Die Autorin ist Historikerin und Publizistin, lebt und arbeitet in Kärnten. Sie reicht 2012 ihre Dissertation zur Kriegspropaganda 1809 ein.

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