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Eine Erinnerung zum 20. Todestag.

Wo sind die Zeiten, wenn die Frage erlaubt ist, daß die katholische Kirche Österreichs unter anderem, ohnehin nur unter anderem, durch einen Monsignore Otto Mauer und durch einen Dr. Alfred Focke SJ repräsentiert war! dieser war der stillere, von ganz anderem Temperament: in Gesellschaft zurückhaltend und schwer aus der Reserve zu locken; aber an der Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt, in der Abteilung für Photographie, war er gern zu Gast, entwickelte uns Schülern Analogien zwischen Religion und Kunst, verglich Bibelstellen mit der Dichtung vor allem der französischen Symbolisten, wenn ich mich richtig erinnere - da konnte er fast in Feuer geraten, wiewohl er zugleich so bedächtig und zögernd Satz für Satz setzte, wie uns zu bedenken zu geben, seine Interpretation sei nur eine von vielen. Prof. Ernst Hartmann, der Chef der Abteilung, lud zu literarischen und musikalischen Abenden in seine Wohnung Künstler aus etlichen Sparten, auch Architekten, Philosophen, natürlich auch Dr. Focke und Schüler respektive Ex-Schüler wie mich - für Dr. Focke waren immer exklusive Zigarren zur Hand, und der hatte dann über die Zwölftonmusik Josef Matthias Hauers zu philosophieren, über deren jeder subjektiven Kompositionsweise entrücktes Kosmisches', beispielsweise.

zwei Hartmannsche Schülerinnen, beide konfessionslos, waren vom Geist und von der Bildung Dr. Fockes so angetan, daß sie sich für die katholische Religion entschieden und sich, nach einigen seriösen Unterhaltungen mit ihm über Glaubensvorschriften (was man zu glauben hat, um katholisch zu sein), also taufen ließen.

Komik, Sinn für Komik, war ihm eher nicht gegeben - wann immer er mich über eine (meinige) Gedichtzeile befragte, nicht wie bei der Beichte versteht sich, dann war es eine, der er ihr Lachhaftes oder Ironisches nicht angefühlt hatte.

in Innsbruck hielt er in diesen Jahren Philosophievorlesungen, an der Theologischen Fakultät, wenn ich nicht irre. und zwar über Ästhetik - wüßte gern ein Beispiel zu nennen, daß sich durch die ein späterer Pfarrer ermutigt sah, Bilder- und Freskenmaler einzuladen, deren Meditationsbilder vom Gegenstand abstrahiert sind und also bilderlos' den Schöpfer ähnlich lobpreisen wie ein Wolkenhimmel, wie die Schriftzüge von Schatten, deren Unlesbares sich jeder deuten dürfte in kontemplativer Hingegebenheit an das mysterium fidei (immer wieder stand er in Prof. Hartmanns Arbeitszimmer vor einem abstrakten Bild, das beispielsweise ich als aus dem Toten Meer geborgene Bibeltexte verstand, oder auch als den zu Asche geworden noch brennenden Dornbusch.)

bald nach dem zweiten Vaticanum dürfte er in eine schwere Krise geraten sein - der strengen Auffassung etwa, daß das ehrwürdige Kirchenlatein nicht einem kirchlichen Bassena-Deutsch' weichen dürfe; daß der Akt der Wandlung und die Kommunion des Meßzelebranten in höchster Konzentration altarwärts vollzogen gehöre als ein Mysterium und nicht kirchenvolkwärts; wie er ja wohl auch die damaligen Neuerungen der Liturgie als kitschig-theatralisch beklagt haben dürfte (aus Andeutungen war dergleichen herauszuhören) oder als unglaubwürdige Anbiederung an urchristliche Zusammenkünfte das: die Handreichungen während der Messe unter Meßbesuchern, die einander gar nicht kennen (und, wie er meinte, nicht aufgestört sein wollen) - da war er also von konservativer Unzugänglichkeit; hat keine Freude daran haben können, daß sich, nun schon seit Jahrzehnten, auf das Wort hin: gebet einander ein Zeichen! alles herumdreht, jedem in der Nähe Befindlichen die Hand schüttelt und dabei lächelt oder sogar lacht - und unsereins erlebt es als eine Befreiung von Bedrückung, daß an einem solchen Ort alt und jung der rundum Gekreuzigten und Gemarterten vergessen, Menschliches sich regen darf. seiner vehementen Predigten wider die neue Meßordnung wegen wie auch wegen seiner Weigerung, die zu exekutieren, durfte er dann in der Jesuitenkirche nicht mehr predigen, hatte seine' Messe gewissermaßen im verborgenen zu feiern.

Bergwanderungen hat er gern unternommen, vornehmlich in seiner Kärntner oder Osttiroler (?) Heimat, und von solch einer Tour, vor zwanzig Jahren am Mariae Himmelfahrtstag wars, ist er dann nicht zurückgekommen (daß es dieser Feiertag war, dem sei natürlich keine höhere Bedeutung zugemessen) - für lange war er verschollen, und dann wird er in einer Höhle gefunden; hat dort wohl vor einem Unwetter Schutz gesucht ("sein Regenschirm war noch aufgespannt", nämlich noch so und so viele Monate später; und obwohl er nicht gern gelacht hat, denk ich ihm das zu: na, das wär doch eine Reklame für die Marke Ihres Bergschirms!)

Julian Schutting, 1937 in Amstetten geboren, erhielt u. a. den Georg Trakl- und den Anton Wildgans-Preis;zuletzt erschienen: "Rohübersetzung. Mondscheiniges über die Liebe" (Styria 1999), "Jahrhundertnarben. Über das Nachleben ungewollter Bilder" (Residenz 1999) und "Dem Erinnern entrissen.Gedichte" (Otto Müller 2001).

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