Für die Neutralität bleibt kein Platz

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Es geht darum, dass wir die sicherheitspolitische Entwicklung des europäischen Umfeldes besser mitgestalten können.

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Es geht darum, dass wir die sicherheitspolitische Entwicklung des europäischen Umfeldes besser mitgestalten können.

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Die Neutralität darf im "europäischen Kontext", wenn es um die Umsetzung europäischer Werte geht, "ja gar keinen Platz haben", sagte Bundeskanzler Wolfgang Schüssel beim ÖVP-Bundeskongress in Alpbach. Die Aufregung bei der SPÖ ist seither groß. Die Unehrlichkeit und/oder Unwissenheit sind es auch: SP-Chef Alfred Gusenbauer bewertete die Schüssel-Aussage als "unerhört". Die SPÖ stünde für eine derartige Verfassungsänderung nicht zur Verfügung. Muss sie auch nicht. Die entsprechende Änderung wurde schon 1998 mit den Stimmen der SPÖ beschlossen: Art 23 B-VG in der geänderten Fassung bewirkt, dass die Mitwirkung Österreichs an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU nicht durch das Neutralitätsgesetz beschränkt wird. Österreich kann daher die GASP "aktiv und vorbehaltslos im Geiste der Loyalität und gegenseitigen Solidarität" unterstützen, wie das im EU-Vertrag gefordert wird. Für die Neutralität bleibt im "europäischen Kontext" also wirklich kein Platz.

Bei von der UNO legitimierten Zwangsmaßnahmen gilt das seit 1991: Damals blieb Österreich (mit einem SP-Bundeskanzler) nicht neutral, sondern unterstützte die internationale Militäraktion gegen den Irak. Damit anerkannten wir, dass auch die UNO-Mitgliedschaft schwerer wiegt, als die Neutralität.

Kanzler Schüssel hat in Alpbach also nur den Status quo einer "Rest-Neutralität" außerhalb von EU und UNO beschrieben. Da jedoch kaum für uns relevante Konflikte denkbar sind, ohne dass die EU dazu Position bezieht, ist Österreich de facto nicht mehr ein neutraler, sondern wie Schweden und Finnland nur mehr ein bündnisfreier Staat. Dieser Status ist jedoch unbefriedigend: Heute kann Österreich - genauso wie Nato-Mitglieder - an Nato-Kampfeinsätzen zur Wiederherstellung des Friedens (im Auftrag von UNO bzw. EU/WEU) teilnehmen. Von der Gestaltung der Sicherheitspolitik der Nato, mit der solche Einsätze aber vielleicht überhaupt verhindert werden können, sind wir jedoch ausgeschlossen, da diese Politik vom Nordatlantikrat gemacht wird, in dem nur Nato-Mitglieder Sitz und Stimme haben.

Vielleicht ist die SPÖ mit den gegenwärtigen sicherheitspolitischen Möglichkeiten Österreichs deshalb so zufrieden, weil sie einfach zu sehr im Denken des Kalten Krieges verhaftet ist: Es gebe keine Bedrohung für unser Land, die einen Beitritt zu einem Militärbündnis sinnvoll machen würde, ist ein Stereotyp, zuletzt auch von Heinz Fischer, wiederholtes Argument. Dabei wird völlig übersehen, dass sich heute die Nato selbst nicht primär um die Verteidigung ihrer Mitglieder kümmert, sondern - gemeinsam mit WEU und EU - um die Gestaltung einer möglichst stabilen und friedlichen gesamteuropäischen Entwicklung. Das geschieht, wenn es gar nicht anders geht, durch militärisches Krisenmanagement (das Österreich als Nicht-Mitglied zwar nicht mitbeschließen oder verhindern, aber - auch durch die Politik der SPÖ - militärisch mitvollziehen kann). Der Regelfall ist jedoch eine breite sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Nicht-Mitgliedstaaten, zum Beispiel im Rahmen des Euro-Atlantischen-Partnerschaftsrates, des Nato-Russland-Rates oder des Nato-Mittelmeer-Dialoges (wie diese Politik der Zusammenarbeit ausschaut, kann Österreich derzeit nicht mitbestimmen).

Bei einem allfälligen Nato-Beitritt Österreichs ginge es also nicht vorrangig um eine bessere Verteidigungsfähigkeit unseres Landes, sondern vor allem darum, dass wir die Entwicklung unseres europäischen Umfeldes besser mitgestalten könnten. Je besser wir dazu in der Lage sind, desto geringer wird die Notwendigkeit, dass österreichische Soldaten im Krisenmangement (oder irgendwann gar in der Verteidigung) eingesetzt werden - und auf dieses Ziel sollten sich Regierung und Opposition eigentlich verständigen können.

Der Autor ist ÖVP-Kommunikationschef und Sicherheitsexperte.

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