Für ihn war alles Architektur!

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Wenn Hans Hollein in den 1980er-Jahren die Meisterklasse betrat - das tat er zwar nicht allzu oft, aber dafür regelmäßig - entstand Spannung unter den Studenten. Er strahlte die Aura einer Person aus, die eben mehr als nur Architekt war: Designer, Schriftsteller, Bildhauer, Künstler, Maler, ... in einer gewissen Weise waren wir paralysiert von ihm. Seine Thesen erweiterten den für mich bis dahin verstandenen architektonischen Raumbegriff in das Skulpturale und in die Semiotik. Mit dem damals noch relativ beschränkten Wissensgrad eines Studenten war er nicht fassbar, nicht einzuordnen. Selbstverständlich versuchten wir die Elemente seiner Arbeiten in Architektur und Design zu studieren, zu begreifen, zu analysieren, um sie vielleicht selbst anwenden zu können - meistens vergeblich. Bei den spärlichen Korrekturen saß er, mit doppelt ineinander verschlungenen Beinen, zurückgelehnt in seinem Sessel, beide Hände hinter dem Kopf verschränkt und hörte zu. Doch was er sagte, war wesentlich. Das war auch das Bild, das ich von ihm mitnahm, als ich nach dem Diplom die Angewandte verließ. Mehr als 30 Jahre später trafen wir uns bei einer Veranstaltung wieder - er war alt geworden, aber hatte noch immer dieses Leuchten und Wissen in den Augen, wenn Architektur ins Gespräch kam. Es ist sicher müßig, hier seine architektonischen Werke und seinen Werdegang zu repetieren, wesentlicher sind die Gedanken, die er vor mehr als 40 Jahren bereits formulierte und die heute noch Gültigkeit besitzen:

Architekten müssen aufhören, nur in Bauwerken zu denken -diese Aussage Holleins von 1967 sollte/könnte heute noch Vorbild für manche Architektur sein. Architektur ist nur eines der Medien, eine Möglichkeit, derer wir uns bedienen können, um unsere Umwelt zu gestalten - waren das vielleicht schon die ersten Anfänge einer Nachhaltigkeit? Vehement kämpfte er gegen einen trivialen Funktionalismus in der Architektur und war für die Einbeziehung des Poetischen, des Kultischen, der Rituale und Symbole. Er betonte die sinnliche und existenzielle Dimension des Gebauten. Alles ist Architektur - dieser wohl berühmteste Satz des Architekten Hollein ist heute wichtiger denn je, wenn es um eine holistische Sicht unserer Welt geht -Architektur als Spiegel unserer Gesellschaft. Nun starb Hollein letzte Woche, die Architektur verliert einen Vordenker und einen Geist, der auch die Zeit der "Postmoderne" und die Entwicklung zur "Transmoderne" wesentlich beeinflusst und mitgeprägt hat.

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