Für Menschen mit besonderen Bedürfnissen

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Nicht die Verschiebung willkürlicher Fristen soll im Vordergrund stehen, sondern der umfassende Schutz des Lebens.

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Nicht die Verschiebung willkürlicher Fristen soll im Vordergrund stehen, sondern der umfassende Schutz des Lebens.

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Hoffentlich sind die diversen Absichtserklärungen und Wortspenden rund um die sogenannte eugenische Indikation keine vorweihnachtlichen Sternschnuppen zur medienwirksamen Unterstützung diverser Sammelaktionen zu Gunsten behinderter Kinder.

Die Formulierung des § 97 StGB ermöglicht derzeit eine straffreie Abtreibung bis zum neunten Schwangerschaftsmonat, wenn "eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer behindert sein wird". Seit diese Bestimmung 1975 beschlossen wurde, gab es immer wieder Anstöße aus den verschiedensten Lagern, hier eine Änderung herbeizuführen. Nicht nur aus dem kirchlichen Bereich, auch Ärzte, Juristen und Politiker artikulierten ihre Unzufriedenheit mit dieser Regelung. Generell soll hier aber nicht die Verschiebung willkürlicher Fristen im Vordergrund stehen, sondern der umfassende Schutz des Lebens. Der Wert menschlichen Lebens darf nicht vom Maß seiner körperlichen Perfektion abhängen.

Mütter und Väter, die durch die bereits sehr umfangreichen Möglichkeiten pränataler Diagnostik von einer möglichen Behinderung ihres ungeborenen Kindes erfahren, brauchen in dieser schwierigen Lebenssituation, die von Enttäuschung und Ängsten geprägt ist, verständnisvolle Unterstützung durch qualifizierte Beraterinnen.

Wünschenswert wäre, dass das Beratungsangebot bereits vor der Inanspruchnahme diverser pränataler Diagnoseverfahren genützt wird. Immer wieder berichten Frauen, vor allem wenn sie in die Kategorie der "Spätgebärenden" fallen, dass sie zu Untersuchungen überwiesen werden, ohne ausreichend über deren Risken und mögliche Ergebnisse informiert worden zu sein.

Bereits vor zwei Jahren hat daher die Katholische Aktion in Zusammenarbeit mit der Aktion Leben und der Lehranstalt für Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese Wien eine zweisemestrige Zusatzausbildung für Ehe- und Familienberaterinnen für Beratungen in Zusammenhang mit Schwangerschaftskonflikten und pränataler Diagnostik entwickelt. Als Folge dieser Initiative wurde beispielsweise in Linz heuer die Schwerpunktberatungsstelle Zoe eröffnet, die von ratsuchenden Frauen - und auch ihren Partnern intensiv genützt wird. Weitere Ausbildungslehrgänge für Beraterinnen sind geplant. Es ist zu hoffen, dass die derzeitige öffentliche Diskussion die politische Realisierung der Erweiterung des Beratungsangebots für Menschen mit Schwangerschaftskonflikten ermöglicht. An kreativen Ideen - von der telefonischen Hotline über die mobile Beratung bis zur anonymen Geburt - mangelt es in Expertenkreisen nicht.

Begrüßenswert sind in diesem Zusammenhang auch alle bewusstseinsbildenden Maßnahmen, die den Vätern ihre Verantwortung für das Kind verdeutlichen. In vielen Beratungsgesprächen stellt sich heraus, dass der Druck zur Abtreibung, vor allem wenn mit einer Behinderung des Kindes gerechnet werden muss, von den Vätern ausgeht. Allerdings darf es keinesfalls zu Zwangsregelungen kommen, die die Frauen in ein Abhängigkeitsverhältnis zu den Männern bringen.

Die Unterstützung von Eltern behinderter Kinder darf sich aber nicht auf Beratungsangebote rund um Schwangerschaft und Geburt beschränken. Es bedarf hier noch immer zahlreicher Maßnahmen zur Verbesserung der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen: von Rampen an Stelle unüberwindlicher Treppen bis zur Veränderung des Bewusstseins. Bewusstsein verändert sich durch Begegnungen, durch gemeinsames Erleben in allen Lebensbereichen. Österreich hat hier noch lange keine Europareife erreicht Eine Änderung des § 97 StGB kann ein Schritt zu einem besseren Miteinander von Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen sein.

Die Autorin ist Referentin des Forums "Beziehung, Ehe, Familie" der Katholischen Aktion Österreichs.

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