Fürsorge kontra Selbstbestimmung

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Das ganze Leben der 24-jährigen Hagit scheint sich ums Heiraten zu drehen: Mit viel Liebe bastelt und bemalt sie kleine Hochzeitspuppen, tapeziert auch die Wände ihres Zimmers mit Bildern von Hochzeitskleidern und träumt natürlich auch von der eigenen Heirat. Keine Sorgen scheint man sich auf den ersten Blick um die hübsche junge Frau machen zu müssen, doch bald erkennt man, dass sie geistig leicht behindert ist.

Weil sie deswegen als Kind von Spielgefährten schwer malträtiert wurde, gewährt die Mutter (stark: Assi Levi) ihr kaum Freiraum. Man spürt, dass sie für die Tochter nur das Beste will, und sieht, wie sie sich für Hagit aufopfert und sich trotz der Belastung weigert, die Tochter in ein Heim abzuschieben. Doch Hagit will eben auch ihr eigenes Leben führen.

In einer Klopapierfabrik hat sie einen Job gefunden und hat sich auch in den Sohn des Besitzers verliebt. Dieser hegt durchaus Sympathie für die junge Frau, will sich gegenüber anderen aber nicht zu ihr bekennen. Erschüttert werden so ihr Leben und ihre Träume, als die Fabrik wegen mangelnder Rentabilität geschlossen werden soll und der Besitzer der Fabrik hinter die Liaison seines Sohnes kommt.

Feinfühlige inszenierung

So filigran wie Hagits Hochzeitspuppen ist auch Nitzan Giladys erster Spielfilm. Im genauen und geduldigen Blick auf Personen und Situationen spürt man die Herkunft des Regisseurs vom Dokumentarfilm. Jede Einstellung ist genau kadriert, jeder Farbton überlegt gewählt. Bestechend wird der bildschöne Film auch in die von den Brauntönen der Wüste Negev dominierte Kleinstadt am Rande des Ramon Kraters eingebettet. Nie aufgesetzt, aber bildstark spiegelt die Situierung an diesem Erosionskrater nicht nur die gesellschaftliche Randstellung Hagits und das Zerbröckeln der Menschlichkeit, sondern macht auch bewusst, dass diese von der Welt abgeschiedene Region jungen Menschen kaum Zukunftschancen bietet.

Nichts Großes passiert hier, aber indem sich Gilady ganz auf seine Protagonistin einlässt und den Einstellungen Zeit zum Atmen gibt, lässt er den Zuschauer intensiv ihre Sehnsüchte und ihr Streben nach Selbstständigkeit mitempfinden. Gleichzeitig deckt er aber auch die vielfältige Ausgrenzung der von Moran Rosenblatt mit großem Einfühlungsvermögen gespielten Hagit auf. Wie eine ihrer Puppen wird sie teilweise herumgeschubst, aber nicht als selbstständiges Individuum mit Sehnsüchten und Bedürfnissen wahrgenommen.

Geduld verlangt dieser Film in seiner ruhigen Erzählweise freilich, doch lässt man sich auf dieses leise und sanfte Plädoyer für Mitmenschlichkeit und Inklusion ein, wird man bewegt und nachdenklich das Kino verlassen.

Wedding Doll (Hatuna MeNiyar)

IL 2015. Regie: Nitzan Gilady. Mit Moran Rosenblatt, Assi Levy, Roy Assaf. Thimfilm. 82 Min.

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