Fuhrwerken mit Ödön von Horváth

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Es ist Oktoberfest, die Stimmung ist aufgeräumt. Bei Horváth lässt sich ein Zeppelin blicken, eine Ablenkung für die von der Wirtschaftskrise von 1929 arg gebeutelte Bevölkerung.

In der Inszenierung von "Kasimir und Karoline" des amerikanischen Regie-Duos "600 Highwaymen" bei den Salzburger Festspielen werden daraus ein "Scheiß-Zeppelin" und eine "Scheiß-Ablenkung". Das zum Thema Subtilität im Umgang mit einem Text, der mit äußerster sprachkritischer Sorgfalt dem Bewusstsein und den Gefühlen der kleinen Leuten, um die sich niemand kümmert, Rechnung trägt und sie ernst nimmt, indem er deren Verzweiflung und Zukunftsangst in irritierende Sätze packt.

Nichts da bei dieser Aufführung, wo gleich noch für ein Publikum, dem man nicht zutraut, dass es historische Analogien herzustellen imstande wäre, in markigen Worten nachgereicht wird, in welch furchtbaren Zeiten wir leben. Horváth niedergerungen auf ein Politdrama der Binsenwahrheiten, Schlimmeres kann einem Autor nicht passieren, der sich Erklärungen schon deshalb spart, weil sein Stück zeigt, wie sich Macht auswirkt auf jene, die ihrer Chancen beraubt werden.

Das Unglück nimmt schon viel früher seinen Lauf. Das Stück wurde ins Englische übertragen, eine Kurzversion mit Streichungen und Umarbeitungen vorgenommen, um dann ins Deutsche rückübersetzt zu werden. So beginnt ein Prozess der sprachlichen Verarmung, der wettgemacht werden soll, indem die Darsteller zu pantomimischen Einlagen animiert werden. Das wirkt albern und bemüht.

Ein karges Ergebnis

Warum traut das Regieteam dem Stück so wenig zu, dass Figuren gestrichen, Handlungsstränge verkürzt oder überhaupt eliminiert werden? Überhaupt fällt die Aufführung durch ihren Hang zur Simplifizierung auf. Es gibt keinen Darsteller, der Kasimir spielt, keine Darstellerin, die die Karoline gibt, sondern jeweils acht Laienschauspieler wechseln sich ab. Was soll das bedeuten? In jedem von uns lebt ein Stück Kasimir, jede könnte zu Karoline werden, sobald jemand aus einem bestimmten Milieu in katastrophale Umstände versetzt wird. Ist zwar etwas gar deterministisch gedacht, für neunzig Minuten sowieso ein karges Ergebnis. Die Interpreten geben ihr Bestes, zeigen sich engagiert und bewegungsfreudig, für die Textruine, die sie hinterlassen, tragen sie die geringste Schuld.

Regietheater geht ja ganz in Ordnung. Der Text und die Idee des Verfassers dürfen nicht verraten werden. Hier aber ist eine große Einebnungsmaschine der Unterschiede am Werk. Warum für dieses Zerstörungswerk ausgerechnet Horváth herhalten muss, bleibt ein Rätsel. Sieht mehr nach Studentenbühne aus, die dem erwachsenen Theater zeigen will, wie Respektlosigkeit geht, als nach einer Festspielaufführung.

Kasimir und Karoline Universität Mozarteum, 18. August

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