Fundamentales Zeichen

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Arnulf Rainers Auseinandersetzung mit dem Kreuz in der Innsbrucker Galerie Thoman.

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Arnulf Rainers Auseinandersetzung mit dem Kreuz in der Innsbrucker Galerie Thoman.

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Das Kreuz ist meine Grundfigur geworden. Mir fällt einfach nichts anderes ein, was mich so herausfordert und in Arbeitswut und Fleiß bringt": Arnulf Rainer, einer der international bekanntesten österreichischen Künstler, stellt derzeit in der Innsbrucker Galerie Thoman "Kreuze - von den sechziger Jahren bis heute" vor. Eine umfangreiche, qualitätsvolle Präsentation - die allererste Dokumentation Rainers, die sich ausschließlich dem Kreuz widmet, obwohl sich die Auseinandersetzung mit der Kruzifikation seit Jahrzehnten als zentrales Thema durch das Werk des Künstlers zieht.

Der unmittelbare Eindruck bei Thoman ist packend: Großformatige Kreuzesdarstellungen auf Holz oder Wabenkernplatte scheinen die Ausstellungsräumlichkeiten zum spirituellen Ort zu erheben.

Auf Suche nach den fundamentalen Gesetzen der Malerei fand Rainer zum Studium philosophisch-religiösen Schrifttums, in der Folge zum Kreuz als grafischem Zeichen und danach zur Kruzifikation als Ausdrucksträger malerisch-geistiger Energien. Das Kreuz - nicht nur Ausgangsmotiv, sondern bald auch Gesamtfiguration - wurde für den Künstler zum eigenständigen Bildträger, zu Basis und Eckpunkt seiner Arbeit. Während der sechziger Jahre spielt sich, begründet in Rainers Passion für die "dunkle Leere", auch auf dem Kreuz das Drama der Übermalung ab. Es entstehen asketisch-monochrome Kruzifixe, wie zum Beispiel der "Zugedeckte Christus" (1968), die die Schwarzgestaltungen des Malers als kontemplative Übungen empfinden lassen. Nicht nur die dichte Fantasie Rainers, sondern vor allem sein existenzielles Ringen um geistig-kreative Erfahrung führen zu Übermalungen von Christusstatuen und deren Fotografien oder ihrer Kopfpartien in den siebziger und achtziger Jahren. Ausgehend von den ekstatischen Ausdruckszudeckungen gelangt der Künstler zu seinen Hand- und Fingermalereien; dort und da tauchen auch Abdrücke ganzer Handflächen auf: "Im Malrausch brach mir der Pinsel. In der Hast versuchte ich es mit den Händen."

"Ging es ihm zunächst darum, etwas in diese Form hineinzutragen, ja sich geradezu in ihr zu begraben" (F. Mennekes S. J.), so folgt bald eine Phase des aggressiven Bloßlegens mit Hilfe intensiver Farbigkeit. Farbflächen oder aufgeladene Farbrinnsale verweisen auf chaotische Energieströme, die sich in der Kreuzform bündeln ("Kreuz", 1988/90).

Die Kreuzarbeiten des letzten Jahrzehnts zeigen sich in ihren tiefen Farbklängen von unterschiedlichen Stimmungen geprägt. Es ist wie "ein Schwanken zwischen Verzweiflung, starker Euphorie und Wut", erklärt Arnulf Rainer, "und Euphorie, das hat mit Hoffnung zu tun". Und diese späten Kreuze übermitteln neben ihrer Metaphorik auch, wie Rainer bestätigt, "die Botschaft, dass Siege sich nur aus und in der Niederlage ergeben".

Rainerkreuze sind heute gefragt und teuer. Sie können bis zu vier Millionen Schilling kosten. Schon der Wiener Domprediger Monsignore Otto Mauer hat sie um 1960 für christliche Deutungen in Anspruch genommen. Das bekannte Weinkreuz, vom Künstler als Auftragsarbeit für eine Studentenkapelle geschaffen, wurde später von der Londoner Tate-Gallery erworben. "Es ist übrigens nie die Gemeinde, sondern immer ein Priester, der vor einem Rainerkreuz knien will", weiß der Meister.

Bis 31. Mai

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