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Ich weiß, man sieht es mir heute nicht mehr an, aber bis zu meinem 17. Jahr war Fussball mein Leben. Meine alte Mutter bekommt heute noch Tränen, wenn sie erzählt, dass ich damals, als ich mit 13 an Tuberkulose erkrankte und immer schwächer wurde, von ihr erbat, am Mittelkreis des Union-Fussballplatzes begraben zu werden, dort, wo der Anstoss vorgenommen wird, der so oft mein Amt als Mittelstürmer der Jugendmannschaft war. Später, wieder gesundet, wurde ich einmal sogar auf ein Trainingslager eingeladen, in dem Nachwuchskicker aus ganz Österreich zusammentrafen und ein paar Tage von dem legendären Trainer der Nationalmannschaft, dem Slowaken Leopold Stastny, unterwiesen wurden. Mit 17 erlosch diese Leidenschaft geradezu über Nacht.

Ich war seither nie mehr auf einem Fussballplatz, aber natürlich habe auch ich mir einige Spiele der Europameisterschaft im Fernsehen angeschaut. Eigentlich weniger die Spiele, als die Gesichter, die heute von einem ungeheuren Aufgebot an Kameras in einer geradezu unkeuschen, aber deswegen natürlich auch wieder faszinierenden Weise eingefangen werden. Die Gesichter der Spieler, der Trainer - und der Zuschauer. Über jede dieser Gruppe könnte man lange Geschichten schreiben. Aber am interessantesten fand ich doch die Trainer, unter denen es naturgemäß Besitzer von Visagen und solche von Gesichtern gab, und von denen mich der grübelnd seine Nase reibende, würdevolle Tscheche Brückner am meisten faszinierte. Vielleicht weil er mich an jenen Leopold Stastny erinnerte, dessen Physiognomie an die eines Habichts denken ließ und der mich eines Abends öffentlich nicht für mein Spiel lobte, sondern weil er bemerkt hatte, dass ich zum Trainingslager ein Buch mitgenommen hatte.

Der Autor ist Schriftsteller und Literaturkritiker in Salzburg.

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