Galante Seufzer, barocke Koloraturen

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Bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik wurde die habsburgische Hochzeitsoper "Romolo ed Ersilia“ wieder am Ort der Uraufführung gezeigt.

"Ich bin mehr in Innsbruck als hier. Es scheint oft, als ob ich dort wiederfinden könnte, was ich verloren habe, oder zumindest meine Ruhe“, schrieb Maria Theresia am 1. Mai 1766 an die Gräfin Enzenberg. Sie kam nie mehr nach Innsbruck. Im August 1765 war dort ihr Gatte Franz Stephan gestorben, mitten in den Hochzeitsfeierlichkeiten für beider Sohn Erzherzog Leopold mit der spanischen Infantin Maria Ludovica.

Die Hochzeitsoper war beim habsburgischen Hofpoeten Metastasio und Maria Theresias einstigem Musiklehrer Joseph Adolf Hasse bestellt worden: "Romolo ed Ersilia“. Nach der Uraufführung am 6. August wurde das Werk noch zwei Mal wiederholt, bevor das tragische Ereignis den Festlichkeiten ein Ende bereitete. Die Innsbrucker Triumphpforte berichtet von jenen Ereignissen 1765 in der Hofburg, Vermählung und Tod.

Raub der Sabinerinnen

Es war mutig, was der italienische Librettist und der italienisch geschulte norddeutsche Komponist der Hochzeitsgesellschaft und herrschenden Dynastie vorsetzten: Die Männerhorde unter Führung des Brudermörders Romulus, die eine Stadt gründen will, raubt und vergewaltigt die Frauen eines Nachbarvolkes, um Rom zu bevölkern und für Nachwuchs zu sorgen. "Romolo“ hat sich für die Sabinerprinzessin Ersilia entschieden. Sie bleibt jedoch ihrem Volk und fürstlichen Vater ergeben, bis die Liebe sie allmählich zu einer eigenständigen Entscheidung befähigt und eine Hochzeit stattfinden kann.

Metastasio und Hasse zeigen in enger dramaturgischer bis sogar semantischer Verschlingung Romolo als milden Herrscher, der Ersilia sanft und geduldig umwirbt, sogar mit seinen Feinden edel umgeht und mit seiner Heirat Völker versöhnt. Auch Hasses Klangwelt ist milde zwischen galanten Seufzerrhythmen, barockem Koloraturfeuerwerk, formreichen Rezitativen und vormozartischen Anklängen.

Bei den Innsbrucker Festwochen der Alten Musik, wo das Werk nun erstmals wiederbelebt wurde, hat Dirigent Attilio Cremonesi mit tatkräftiger Hilfe des Ensembles Café Zimmermann Hasses raffinierte Eleganz mit Leben erfüllt. Durch die Kenntnis wesentlicher musikalischer Aspekte (Dynamik, Tempo, Besetzung u. a.), die er nicht in der Partitur, aber in den Orchesterstimmen fand, versuchte er der Aufführung von 1765 weitgehend nahezukommen.

Das Ensemble bewältigte schwierige Aufgaben. Eleonora Buratto in der zentralen Rolle der Ersilia hielt, anfangs leicht höhenscharf, imponierend durch, Robin Johannsen (Valeria) und Netta Or (Ostilio) spannten bis zu Valerias hysterischem Ausbruch feine Lyrismen, Johannes Chum war ein charaktervoller Sabinerkönig Curzio. Marina de Liso schenkte der Titelrolle die dunkle Kraft ihres Mezzosoprans, Paola Gardina stattete den Bösewicht Acronte mit aller Leidenschaft ihres lichten Mezzos aus.

Die Regisseurin und Tänzerin Aniara Amos, auch für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich, stellte helle Quader und Würfel als römisches Kapitol auf die Bühne und sah der Geschichte auf den Grund: Der Chor (NovoCanto) zeigte anfangs Raub und Vergewaltigung der Sabinerinnen, die Hauptfiguren agierten musikadäquat vom wilden Tier Acronte über den korrekten Ostilio bis zur Tussi Valeria in ausgeprägter Körpersprache. Und Romolo lässt Ersilia stehen, wenn er sie errungen und den Feind damit bezwungen hat.

Alessandro De Marchi, seit 2010 künstlerischer Leiter der Festwochen, präsentierte als Neuheit heuer das Projekt "Barockoper:Jung“, das eng verbunden ist mit dem im Vorjahr erstmals durchgeführten "Internationalen Gesangswettbewerb für Barockoper Pietro Antonio Cesti“. Der Bewerb findet aus mehreren Gründen starke Beachtung: Er ist der weltweit einzige Gesangswettbewerb für Barockoper; zu erringen sind nicht nur monetäre Auszeichnungen, sondern auch Engagements; Agenten und Casting-Direktoren sehen das hohe Niveau der Teilnehmer.

Nachwuchs für Barockoper

Und schließlich: Mehrere junge Sänger des Bewerbs (nicht nur Sieger) können im Folgejahr im Rahmen von "Barockoper:Jung“ eine eigens für sie produzierte Oper erarbeiten. Heuer war das Cavallis Oper "La Calisto“, 2012 wird es Monteverdis "L’Incoronazione di Poppea“ sein. Den heurigen Cesti-Wettbewerb - zugelassen waren 70 Sänger aus 27 Nationen - gewann die 25-jährige ungarische Sopranistin Emöke Baráth, Zweite wurde die Sopranistin Tehila Nini Goldstein, Dritte die Mezzosopranistin Romina Tomasoni.

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