Ganz Kuba auf seinen Schultern

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Proben einer Tanzcompagnie: Zwei Männer, ein jüngerer und ein älterer, kreisen, winden sich umeinander. Die Sohn-Figur weicht aus, die des Vaters lässt wild den Gürtel schnalzen. Schmerz, am Ende Erschöpfung auf beiden Seiten. Als diese Szene der Leinwandbiografie "Yuli" ein zweites Mal gedreht werden sollte, bat Carlos Acosta dem Vernehmen nach abzubrechen; zu groß waren seine Emotionen geworden.

Acosta, einer der größten Ballettstars der letzten Jahrzehnte, spielte in diesem Moment nicht nur sich selbst: Er war als er selbst in die Rolle seines Vaters geschlüpft, der Carlos, den Jungen auf Abwegen, züchtigen wollte. Die Trennung zwischen Realität und Fiktion, sie hört in diesem Kinomoment auf zu existieren. Neun weitere tänzerische Interpretationen von Schlüsselszenen aus dem Leben Acostas hält der Film der Spanierin Icíar Bollaín bereit. Es ist diese Idee, nicht nur ihn selbst als Erwachsenen, sondern unmittelbar seine Kunst einzubringen, die das Werk weit über die bloße Nacherzählung der Autobiografie "Kein Weg zurück" hinaus hebt.

In den 1990ern wurde die Ballettwelt auf den heute 45-jährigen Kubaner aufmerksam. Er war daraufhin u. a. beim English National Ballet, dem Houston Ballet oder beim Royal Ballet in London engagiert. Mit viel Gefühl entwickelt der Film das Heranwachsen Acostas, reflektiert an diesem auch sein Land, dessen Geschichte und das Schicksal von Seinesgleichen, das er nicht teilen soll.

Dafür will der Vater, ein Lkw-Fahrer, sorgen, als er das Kind vom Straßen-Breakdance weg holt und in die Ballettschule steckt, wenn er hart reagiert, als der Sohn sein Talent zu vergeuden scheint, genauso aber bereit ist, bei den Lehrern um eine zweite Chance für Carlos zu bitten, obwohl es all seinem Stolz widerspricht.

Vielschichtig wie diese Rolle präsentiert sich auch Santiago Alfonso, die zweite große schauspielerische Stütze eines Films, der überdies weiß, seine Orte zur Geltung zu bringen. Mit der spannendste ist die Bauruine der Escuelas de arte moderna, eine in den Anfangstagen der Castro-Regierung geplante, aber nie fertiggestellte Kathedrale der Bildung, und der Raum unter der Ziegelkuppel, wo einst die Ballettschule Platz finden sollte -ein Projekt, das heute Acosta verfolgt.

So ineinander verzahnt, ist "Yuli" eine packende Biografie, die ihren Ambitionen mehr als gerecht wird.

Yuli E/GB/D 2018. Regie: Icíar Bollaín. Mit Carlos Acosta, Santiago Alfonso. Polyfilm. 112 Min.

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