Ganz zögerliche Schritte

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Hierzulande engagieren sich Kirchen längst bei der Erinnerung an die Schoa. Nicht so in der Slowakei: Dort nahm erstmals ein katholischer Bischof am Holocaust-Gedenken teil.

"Die Kirche hat sich ein bisschen entschuldigt“: So übertitelte die slowakische Tageszeitung Sme ihren Bericht über den Auftritt des Pressburger Erzbischofs beim diesjährigen Schoa-Gedenken am 9. September. Physisch weit zu gehen hatte Stanislav Zvolensk´y nicht, denn das Pressburger Holocaust-Denkmal befindet sich gleich unterhalb des erhöht gelegenen Martinsdoms. Es markiert die Stelle, an der bis zum Jahr 1969 die neologische Synagoge stand, ehe sie und der Großteil der Judenstadt vom kommunistischen Regime einer Donaubrücke geopfert wurden. 1993 wurde das Denkmal mit dem Davidstern errichtet und jetzt erinnert auch eine ansehnliche Maquette an den Bau im maurischen Stil.

Psychisch ein weiter Weg

Psychisch hatte der Vorsitzende der Slowakischen Bischofskonferenz aber einen weiten Weg zurückzulegen. Immerhin hat der slowakische Nationalrat den 9. September bereits im Jahr 2000 zum "Gedenktag für die Opfer des Holocaust und rassistischer Gewalt“ erklärt. Am 9. September 1941 erschien der sogenannte Judenkodex, ein Konvolut von 270 Verordnungen der Regierung des "Slowakischen Staates“ von Hitlers Gnaden nach dem Vorbild der Nürnberger Rassengesetze, mit denen die Juden vollends entrechtet und den Deportationen in die Vernichtungslager ausgeliefert wurden. Doch erst 2013 fand sich zur Kranzniederlegung neben Ministerpräsident Robert Fico, Parlamentspräsident Pavol Paˇska und dem Pressburger Rabbiner Baruch Myers auch Erzbischof Stanislav Zvolensk´y ein.

Der Erzbischof dankte "für die Gelegenheit öffentlich auszudrücken, dass die katholische Kirche in der Slowakei diesen außerordentlich schmerzhaften Teil ihrer Geschichte mit einem Blick betrachtet, zu dem uns der Geist der Heiligen Schrift anleitet und den sehr deutlich der mittlerweile seliggesprochene Papst Johannes Paul II. zum Ausdruck brachte, als das Jahr 2000 nahte“. Die Berufung auf den slawischen Papst bringt in der Slowakei nach wie vor kritische Stimmen zum Verstummen.

Es fehlte in Zvolensk´ys Ansprache nicht an Verurteilungen des Geschehenen und Warnungen vor dem weiterhin Möglichen, aber immer wieder schimmerte durch, wie schwer es der katholischen Ortskirche fällt, sich von überkommenen Denk- und Sprechweisen zu lösen. Warum spricht der Erzbischof von "Mitgliedern des jüdischen Volkes, die aus der Slowakei kamen“, oder von "Menschen, die in unserer Heimat lebten“, und nicht von Mitbürgern? Warum erwähnt er als "positives Beispiel“ für die Zurückweisung von Hass und Rassismus die Verurteilung der Deportationen im Hirtenbrief der slowakischen Bischöfe vom 8. März 1943, als von 89.000 jüdischen Bürgern bereits 58.000 nach Auschwitz und Sobibor gebracht waren? Und warum erwähnt er die "vielen mutigen Männer und Frauen, die viel riskierten, um Leben zu retten“, und die "lange Liste von Beschützern aus der Slowakei, die als ‚Gerechte unter den Völkern‘ ausgezeichnet wurden“, aber auf der anderen Seite nur das "Versagen Einzelner“?

Nur leise Kritik an Jozef Tiso

Diese beiden unauffälligen Wörter waren dennoch das Bemerkenswerteste an Zvolensk´ys Rede, konnten sie doch nur als Anspielung auf den Präsidenten des "Slowakischen Staats“, der von Hitlers Gnaden 1939-45 existierte, verstanden werden. Der größte slowakische Fernsehsender "TV Markiza“ begann seinen Report denn auch mit der Feststellung, die katholische Kirche in der Slowakei habe "zum ersten Mal eingestanden“, Jozef Tiso, der Präsident des "Slowakischen Staates“, könnte "versagt haben“. Und Igor Rintel, der Vorsitzende des Zentralverbands der jüdischen Religionsgemeinden, meinte, das Gesagte sei "viel im Vergleich zum bisher Gewesenen“; ein "erster Schritt zur Annäherung von Katholiken und Juden“ sei getan.

Wobei Rintel taktvollerweise ausgeklammert hat, dass Róbert Bezák, der im Vorjahr abgesetzte Erzbischof von Trnava, bald nach seinem Amtsantritt in einem Interview erklärt hatte, er stelle sich die Frage, ob der Priester Jozef Tiso nicht spätestens angesichts der ersten Deportation hätte sagen müssen: Ich trete zurück.

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