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Ein Buch zur Flora-Ausstellung.

Er sei ein Kind seiner Zeit, kein Zögling seiner Zeit, vor allem kein Ministrant des Zeitgeistes, so Paul Flora im Vorwort seines neuen Auswahlbandes. Er wurde im Juni 80 Jahre alt, am Montag wurde im Palais Harrach die große Retrospektive eröffnet. Der Bildband dokumentiert die Stationen seiner Entwicklung.

Die müden Kellner der "Sperrstunde" lassen 1938 etwas wie frühe Routine erahnen, aber dann kommt die Zeichnung "Cafe" aus dem Jahr 1940, in der man den Ausbruch, im wahrsten Sinn des Wortes, einer gewaltigen Begabung erlebt. Angesichts der Modernität und des Schwungs in diesem Blatt eines 18-jährigen könnte man auf die Idee kommen, das Folgende als Suche nach Harmonie, innerem Gleichgewicht, ja Bändigungsprozess dämonischer Kräfte zu verstehen. Von Kubin hat sich Flora bald emanzipiert, mich frappiert die innere Verwandtschaft mancher Blätter mit dem Wilhelm Thöny des "Beethovenzyklus". Ein Missverständnis?

Heute könne er sich zurücklehnen und den Arrièregardisten spielen, schreibt er nun, 62 Jahre später, in seinen "Geständnissen eines alten Zeichners", denn ein Avantgardist sei er im Kopf gewesen, "als bei uns die Barbaren herrschten". Künstler, die Floras Götter Picasso und Klee damals noch lange für Scharlatane und Schwindler hielten, hätten ihn später auf dem Gebiet des Avantgardismus weit überholt. "Jetzt sitze ich am Ufer und schaue, was so alles vorbeischwimmt, rudernd, japsend, singend, schiffbrüchig oder gar ertrunken." Welch ein Bogen!

Was die Einflüsse auf sein eigenes Werk betrifft, bekennt sich Flora zu Kubin, den Karl-Markus Gauß denn auch in einem köstlichen Text im Fiebertraum mit Flora als nächtlichen Besucher erlebt. Flora als "Sonderfall eines weltzugewandten Skeptikers, eines überwigend menschenfreundlichen Pessimisten ... , der sich keine Illusionen um die edle Natur des Menschen macht, aber auch nicht aus Enttäuschung über den Verlust dieser Illusion zum Weltverächter wurde": Eine Interpretation, in ihrer Liebenswertheit des Interpretierten wert.

PAUL FLORA - ZEICHNUNGEN 1938- 2001

Diogenes Verlag, Zürich 2002 244 Seiten, Ln., e 25,60

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