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Über Walter Pichlers"Haus neben der Schmiede".

Im Architekturzentrum Wien zeigt Walter Pichler derzeit Zeichnungen und Fotos zu einem Haus, das er entworfen hat. Für ein Architekturzentrum nichts Überraschendes, möchte man meinen, denn die Präsentation von hausbauenden Architekten ist nun mal Aufgabe dieser Institution. Walter Pichler ist jedoch kein "gewöhnlicher" Architekt, und sein Haus alles andere als ein marktübliches Wohnhaus. Geboren 1936 im Südtiroler Eggental, wo er jetzt das außergewöhnliche Haus errichtet hat, ist Pichler einer der wenigen österreichischen Künstler, die seit Jahrzehnten auch am außerösterreichischen Kunst- und Ausstellungsmarkt reüssieren. Und an seiner Karriere hatte - wie an den Laufbahnen fast aller aus der Wiener Nachkriegszeit über Österreichs Grenzen hinaus bekannt gewordener Künstler - der legendäre Monsignore Otto Mauer (1907-1973) keinen unerheblichen Anteil. Pichler, der an der Angewandten Graphic Design studiert hatte und sich um 1960 auch mit Plastiken zu befassen begann, zeigte im Mai 1963 gemeinsam mit Hans Hollein in der von Mauer geleiteten Avantgardegalerie "nächst St. Stephan" eine Ausstellung über "Architektur", deren legendäre Manifeste heute als Wendepunkt der Nachkriegsarchitektur zur frühen Postmoderne bereits Architekturgeschichte sind. In jugendlichem Überschwang beschworen die beiden nicht nur mythische und magische, sondern auch aggressive Eigenschaften einer "großen" Künstlerarchitektur. Holleins Karriere war in den folgenden Jahrzehnten dem Durchsetzen und Auskosten seiner Pionierrolle in der Postmoderne gewidmet, während Pichler sich bald wieder aus der Rolle des "visionären" Entwerfers zurückzog und sich dem real Baubaren unter Kontrolle des Künstlers - statt jener eines fremden Bauherrn - zuwandte. Seit mehr als drei Jahrzehnten entsteht deshalb im abgeschiedenen St.Martin an der Raab im Südburgenland das gebaute Modell idealer künstlerischer Bedingungen für die Plastiken von Pichler, denen er eigene Häuser errichtet, und den Künstler selbst, der hier seine Werkstatt betreibt. Nur selten entwirft Pichler für "fremde" Bauherrn. Bisher geschah das erst zwei Mal: Für einen Freund baute er eine Halle auf der griechischen Insel Syros und für das Museum für angewandte Kunst entwarf er ein schweres Eisentor, das einen neuen Zugang aus der Ausstellungshalle zum Garten schuf. Für einen Verwandten aus Südtirol hat Pichler nun ein drittes Mal unter idealen Bedingungen gebaut - Bedingungen, von denen "echte" Architekten nur träumen können. Denn der Bauherr verfügte mit seinem Unternehmen über die technischen Mittel, die für die Erzeugung dieses meditativen Einraumhauses auf zwei Ebenen nötig sind, und über die nötige Kompromisslosigkeit im Erreichen der Ideallösung. Das Haus steht neben der Schmiede des Großvaters von Walter Pichler und thematisiert in Materialien und Benützungsritualen viele Jugenderinnerungen des Künstlers. Sein Familienzweig "optierte" in der NS-Zeit nach Nordtirol. Das entstandene Ensemble mit der alten, unter Denkmalschutz stehenden Schmiede und dem neuen Haus ohne Fenster (statt dessen nimmt man den Umraum durch ein Glasdach wahr) ist privaten Erholungszwecken gewidmet. Da es als Privatbesitz in Zukunft kaum zugänglich sein wird, empfiehlt sich der Besuch der Ausstellung, in der man einer modellhaften, handwerklich perfektionierten, individuellen "Erinnerungsarchitektur" begegnet. Auch Architekten sollten sich hier an die Ursprünge allen Bauens erinnert fühlen.

Bis 29. Juli, täglich 10-19 Uhr

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