Gebühr? Unzulässiger Eingriff

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Streit um die ORF-Gebühr: Was darf das Unternehmen damit finanzieren? Die EU gibt jetzt Linien dafür vor. Für den Zeitungsverband gehen diese nicht weit genug. Die Gebühr sei eine Verzerrung des Wettbewerbs. Das Gespräch führte Claus Reitan

Horst Pirker, Präsident des Verbandes Österreichischer Zeitungen und Vorstandsvorsitzender der Styria Media Group AG, bleibt bei seiner Kritik an der ORF-Gebühr: Diese sei eine Verzerrung des Wettbewerbes, ein „unzulässiger staatlicher Eingriff“. Die Wirtschaftskrise sei für die Medienlandschaft „höchst belastend“, was Konsequenzen auf der Kostenseite haben werde, wie Pirker im FURCHE-Interview erläutert.

Die Furche: Wie sehr hat die Krise bei den Medien eingeschlagen?

Horst Pirker: Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist ein außergewöhnlicher Vorgang, sie trifft die Medienindustrie insgesamt massiv, also die klassischen Medien sowie die neuen, digitalen. Und zwar nicht mit einem gebremsten Wachstum, sondern mit echten Einbrüchen. Diese Krise stellt sich für die gesamte Medienlandschaft als höchst belasten dar.

Die Furche: Wie können die Medien darauf reagieren?

Pirker: Das Handlungsrepertoire ist relativ eingeschränkt. Wenn die Werbeumsätze und -erlöse deutlich einbrechen, bleibt als Handlungsfeld nur mehr die Kostenseite. Bei den ersten beiden Kostentreibern, Vertrieb und Druck, sind die Möglichkeiten der Optimierungen weitestgehend ausgeschöpft. Bleibt der dritte Bereich, das Personal. Das ist jenes Thema, über das niemand gerne spricht, geschweige denn darüber, es operativ zu behandeln.

Die Furche: Und welche Optionen bestehen dabei?

Pirker: Es gibt zwei Ansätze, nämlich über die Köpfe. Entweder wird die gleiche oder eine bessere Leistung mit weniger Leuten erbracht, oder die Leute, welche diese Leistung erbringen, müssen Einbußen in den Einkommen hinnehmen. Das ist gegenwärtig die Situation. Noch sind wir in Österreich ohne Einschnitte durchgekommen. Aber die globale Ikone des Zeitungswesens, die New York Times, hat zwei Wellen empfindlicher Personaleinsparungen während der Krise durchgezogen. Bei anderen, weniger berühmten, passiert das jeden Tag.

Die Furche: Die „New York Times“ geht aber von einem etwas höheren Personalstand aus.

Pirker: Mit ihr kann sich kein österreichischer Qualitätstitel vergleichen. Insofern trifft das zu. Aber sie hat auch eine andere Einnahmenstruktur, also passt das wieder zusammen.

Die Furche: In Skandinavien erzielen Zeitungen höhere Verkaufspreise. Könnte man die Preise ...

Pirker: Ja, das glaube ich schon. Es gibt noch einen gewissen Spielraum, aber ich warne davor, diese Elastizität zu überschätzen. Man muss auf Vertriebsseite sehr behutsam bleiben. Die Spielräume sind überschaubar.

Die Furche: Haben die Gratistitel die Preise verdorben? Das Publikum daran gewöhnt, gratis bedrucktes Papier zu erhalten?

Pirker: Das Publikum ist über Jahrzehnte daran gewöhnt worden, Medienangebote gratis zu bekommen. Das begann mit dem privaten Radio, setzte sich dann über Privatfernsehen, wo nie etwas verlangt wurde, und die Wochen- und Monatstitel bis zu einzelnen Tagestiteln fort. Kaufmedien müssen sich noch stärker anstrengen, ihren Kaufpreis zu rechtfertigen.

Die Furche: Manche Beobachter meinen, Publikationen aus dem Hause Fellner hätten geschäftliche und ethische Standards gesenkt.

Pirker: Mein Befund in Bezug auf das Phänomen Fellner ist konstant: Wolfgang und Helmut Fellner haben unternehmerisch sehr viel geleistet. Und zwar von Jugend an. Das alles ist eine bemerkenswerte und außergewöhnliche unternehmerische Entwicklung. Die Schattenseite liegt bei den publizistischen und ethischen Standards: Hier ist der Saldo negativ.

Die Furche: Sollte man dem etwas entgegensetzen oder ...

Pirker: Ja, aber nicht aus der Position der Selbstgefälligkeit oder Selbstgerechtigkeit heraus. Um dann zu sagen, hier seien strahlende Helden, dort die bösen Buben. Man soll einen demütigen Zugang wählen und sagen: Wir bemühen uns mehr, auch wenn wir an unseren Ansprüchen manchmal scheitern. Aber wir geben sie nicht auf, sondern kämpfen dafür. Und zwar auch dann, wenn andere Marktteilnehmer nur Lippenbekenntnisse aussprechen und innerlich vergnügt sind, wenn sie unter dieser Latte durchspazieren.

Die Furche: Bei der Enquete zur Medienvielfalt im September forderten sie klare Linien für den öffentlich-rechtlichen ORF. Kommt das aktuelle Schreiben der EU-Kommission dem entgegen?

Pirker: Es kommt diesen Forderungen entgegen. Was die EU dem ORF und der Regierung aufgetragen hat, weist in die richtige Richtung. Es ist aber harmlos genug ausgefallen, sodass ORF und Regierung gut damit leben können. Mit Marktwirtschaft hat das wenig zu tun. Es wird vielmehr der Tatsache entsprochen, dass die Regierung – wie auch in anderen Ländern – ein Interesse daran hat, vor allem im Fernsehen ihren Einfluss auf die Bevölkerung auszuüben. Und das nicht selbst zu bezahlen, sondern von den Leuten durch Zwangsgebühren bezahlen zu lassen. Das ist meiner Ansicht nach eine absurde Tradition, ein seltsamer Zugang zu dem an sich marktwirtschaftlich verfassten europäischen Gebäude.

Die Furche: Also selbst wenn der ORF seine Online-Aktivitäten zurücknehmen muss, ist er Ihrer Ansicht nach zu groß und zu breit?

Pirker: Das ist nicht der Punkt. Der Punkt ist, dass die Zwangsgebühren einen staatlichen Eingriff in die Wirtschaft darstellen. Die Gebühr ergibt rund 500 Millionen Euro pro Jahr. Und wenn der ORF mit diesem Geld alles tun darf, wenn er kaum Verpflichtungen auferlegt bekommt, dann ist das unfair gegenüber jenen, die sich schon den ersten Euro verdienen müssen. Es ist, als würde bei einem 1000-Meter-Lauf ein Teilnehmer bei der 500-Meter-Marke starten dürfen. Es versteht jeder, dass dies kein fairer Wettbewerb ist. Die staatliche Intervention durch die Gebühr sollte nur dort erfolgen, wo der Markt versagt. Der ORF soll sich auf Dinge konzentrieren, wo kein Markt vorhanden ist. Aber Ö3 und ORF 1 sind Kopien der Privaten. Darin liegt kein Mehrwert des ORF. Hingegen erhält etwa Ö1 legitimerweise Gebühren.

Die Furche: Wie sähe denn eine faire Gebührenfinanzierung Ihrer Ansicht nach aus?

Pirker: Man soll die Gebühr neutral einheben und nach Ausschreibung jenen Anbietern Teile davon zuweisen, die öffentlich-rechtliche Inhalte herzustellen bereit und fähig sind. Der jetzige Zustand, nämlich 500 Millionen für den ORF und sechs Millionen für die privaten Anbieter, ist schon von der Proportion her lächerlich. Das ist Almosen-Verteilen und hat mit Medienpolitik nichts zu tun.

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