Gedichte, zu hören im Kreuzgang und am Bahnhof

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"Gerade die Gedichte von Ferdinand Schmatz erweisen die Möglichkeit und Notwendigkeit des Gedichts heute (und immer)", schrieb Literaturwissenschafter Thomas Eder im Juni-BOOKLET der FURCHE, das seinen Themenschwerpunkt der Lyrik von Ferdinand Schmatz widmete. "Alle Sinneswahrnehmungen und Verstandesleistungen sind im Gedicht auf die sprachliche Gestalt zurückzubeziehen, sei es als deren Ausdruck, oder aber als eine Art Generator, diese in den Lesenden von Gedichten hervorzurufen."

Was die von Schmatz selbst gelesenen Gedichte in Zuhörenden hervorzurufen vermögen, konnte am 13. Juni im schönen barocken Refektorium des Neuberger Münsters jede und jeder der Anwesenden selbst erkunden. Mit dem im BOOKLET abgedruckten Gedicht "garten" begann Ferdinand Schmatz seine Lesung nach erfolgter Entgegennahme des Ernst-Jandl-Preises für Lyrik 2009: Lesend durchwanderte er seine Publikationen zurück bis zum ersten Band "der (ge)dichte lauf" (1981): bot Kostproben aus "tokyo, echo oder wir bauen den schacht zu babel, weiter" (2004), "das grosse babel,n" (1999), "dschungel allfach" (1996) und "speise gedichte" (1992).

Bezaubernde Orte

"Verzweiflung und die Liebe zur Sprache" verbinden ihn mit Ernst Jandl, erzählte der sichtlich gerührte Autor, bevor er mit dem Lesen begann. Der nach dem im Jahr 2000 verstorbenen Lyriker benannte Preis für Lyrik wird seit 2001 alle zwei Jahre verliehen. Nach Thomas Kling, Felix Philipp Ingold, Michael Donhauser und Paul Wühr kürte die fünfköpfige Jury heuer Ferdinand Schmatz.

Traditionellerweise ist die Preisverleihung in eine mehrtägige Veranstaltung eingebettet, die deutschsprachige Lyrikerinnen und Lyriker in Neuberg an der Mürz zusammenbringt. Die Orte, an denen gelesen wird, könnten bezaubernder nicht sein, sei es der Wartesaal des aufgelassenen Bahnhofs von Neuberg, der so manchen Empfangsraum in den Schatten stellt, sei es der stimmungsvolle Innenhof des Kreuzgangs des Münsters, der allerdings - da unter freiem Himmel und mit insektenbevölkerter Wiese - für die lesenden Autoren manche Herausforderung bedeutete: Das Verjagen von Fliegen war dabei noch die kleinere, auch pfiff der Wind ab und zu seine Melodien ins Mikrofon.

Die Lesungen dieser Tage - von Peter Waterhouse, Urs Allemann, Nico Bleutge, Marion Poschmann, Monika Rinck, Ernest Wichner, Michael Donhauser, Sonja Harter, Steffen Popp, Lutz Seiler und Jan Wagner - machten die große Spannbreite deutlich, in der sich die Lyrik gegenwärtig präsentiert: Zwischen den Texten von Allemann und Bleutge liegen Welten, zusammengehalten wird die Vielfalt wohl von der "Liebe zur Sprache", die an Tagen wie solchen ansteckend wirken könnte. Ein wenig mehr Öffentlichkeit ist diesen Tagen auch deswegen zu wünschen. In welchen Bereichen der Kultur außer der Literatur gibt es bei freiem Eintritt außerdem derart viel geboten?

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