Geduldiger Jäger der Gravitationswellen

Werbung
Werbung
Werbung

Vor kurzem feierte er seinen 85. Geburtstag; jetzt hat er einen weiteren Grund, gehörig anzustoßen: Rainer Weiss erhält den heurigen Physik-Nobelpreis zur Hälfte, die andere Hälfte teilen sich seine Kollegen Barry Barish und Kip Thorne. Die drei US-Physiker werden für den Nachweis der Gravitationswellen ausgezeichnet, deren Existenz Albert Einstein vor rund hundert Jahren in der Allgemeinen Relativitätstheorie vorhergesagt hat. Dieser Nachweis habe "die Welt geschockt", so Göran Hansson von der Schwedischen Akademie der Wissenschaften - dies freilich im positiven Sinn. Für Weiss ist das die lang ersehnte Belohnung für sein Lebenswerk. Bereits vor fünfzig Jahren hat er ein Konzept gefunden, um Gravitationswellen direkt nachzuweisen. Seit damals verfolgte er diese Idee mit großer Geduld, vom Computer-Entwurf bis zur konkreten Gestalt des LI-GO-Observatoriums, das heute in den US-Bundesstaaten Washington und Louisiana angesiedelt ist. Seine Detektoren bestehen aus einer rechtwinkeligen Bahn, die je vier Kilometer am Boden verläuft. Mittels reflektierter Laserstrahlen lässt sich eine Änderung der Armlängen zueinander extrem genau messen. Zur Veranschaulichung: Es geht um Längen, die rund zehntausend Mal kleiner sind als der Kern eines Wasserstoffatoms. Weiss zählt übrigens zu den wenigen Wissenschaftern, die den LIGO-Tunnel selbst abgeschritten haben. Bei seinen Inspektionen räumte er mitunter gleich winzige Splitter und Scherben, sogar Spinnen und Mäuse aus dem Weg. "Rai", wie er von Kollegen genannt wird, ist eine "detailverliebte Person", sagt Bruce Allen vom Einstein-Institut in Hannover über seinen ersten Physik-Professor. Geboren wurde Weiss 1932 in Berlin als Sohn eines jüdischen Arztes und einer christlichen Schauspielerin. Aufgrund der Nazi-Herrschaft ging die Familie zunächst nach Prag und wanderte dann in die USA aus. 1939 erreichte sie New York. Als Jugendlicher entwickelte Weiss eine Liebe zur klassischen Musik, ein Interesse für Elektronik und verdiente das erste Geld mit der Reparatur von Radios. Er studierte am renommierten Massachusetts Institute of Technology und blieb dieser Einrichtung bis zuletzt auch als Professor verbunden. Gravitationswellen erfassen zu können, sei "etwas völlig Neues, was uns den Blick auf eine bisher ungesehene Welt eröffnet", so das Nobelpreis-Komitee. Eine Fülle an Einsichten in das Universum sei nun zu erwarten. Die erste Reaktion von Weiss fiel dagegen bodenständig aus: "Mir geht es gut, ich habe sogar Hosen an."

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung