Gefühle jenseits der DRAMATURGIE

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Der Jugendfilm "Siebzehn" verhandelt die überschwänglichen Erfahrungen der ersten Liebe. Jung-Regisseurin Monja Art über ihr beachtenswertes Kinodebüt.

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Der Jugendfilm "Siebzehn" verhandelt die überschwänglichen Erfahrungen der ersten Liebe. Jung-Regisseurin Monja Art über ihr beachtenswertes Kinodebüt.

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Für ihre feinsinnig gezeichnete Jugendstudie "Siebzehn" hat die Niederösterreicherin Monja Art im Jänner den Max- Ophüls-Preis in Saarbrücken gewonnen, das ist der wichtigste Preis für den deutschsprachigen Filmernachwuchs.

Gekonnt hantiert Monja Art in ihrem ersten Spielfilm dabei mit einem komplexen Beziehungsgeflecht zwischen ihren Hauptfiguren, Schülern aus der niederösterreichischen Provinz, die ihre ersten Liebeserfahrungen machen -und zwar mit dem anderen und dem eigenen Geschlecht. Die Entdeckung des Films ist Elisabeth Wabitsch in der Rolle der 17-jährigen Paula, die sich in ihre Mitschülerin verliebt hat, deren Liebe aber vorerst unerwidert bleibt. Monja Art erzählt auffällig warmherzig und unprätentiös von der Adoleszenz: Die Regisseurin lässt Gefühle zu, anstatt sie einer Dramaturgie unterzuordnen - wahrscheinlich die größte Qualität dieses beachtenswerten Debüts.

Die Furche: Sie haben schon vielen Aufführungen Ihres Films beigewohnt. Was ist die häufigste Frage, die man Ihnen dazu stellt?

Monja Art: Wie ich auf die Idee gekommen bin, den Film zu machen. In Saarbrücken fragten mich Schüler, ob unsere Darsteller in der Realität auch gleichgeschlechtliche Erfahrungen gemacht hätten oder ob sie lesbisch sind. Oder, ob sich meine Schauspielerinnen vorstellen könnten, privat ein Mädchen zu küssen, oder die Burschen einen anderen Burschen. Und ob es eine Fortsetzung geben wird.

Die Furche: Diese Fortsetzung würde dann "Siebzehn 2" heißen, oder "Achtzehn"?

Art: (lacht) Es kann sogar sein, dass es eine Fortsetzung geben wird, aber sie würde so nicht heißen. Und sie würde inhaltlich so sein, womit keiner rechnen würde. Jedenfalls kam es mir gerade bei den jugendlichen Zuschauern so vor, dass sie noch nie untabuisiert mit dem Thema Homosexualität in Berührung gekommen sind. Das hat mich sehr überrascht.

Die Furche: Das vorurteilsfreie Aufwachsen ist offenbar nur Wunschdenken der Pädagogen?

Art: Ja, das sehe ich auch so. Vielleicht wäre das in Berlin anders gewesen, aber im Saarland war das definitiv nicht so. Immerhin fanden alle den Film sehr authentisch, das merkte ich an den spezifischen Fragen.

Die Furche: Wie haben Sie diese Authentizität im Film hergestellt?

Art: Ich fühle mich verbunden mit der Jugendzeit, und wollte schon lange einen Film über Jugendliche drehen. Ich habe auch eine Doku zum Thema gemacht, merkte aber schnell, dass ich lieber selbst schreiben und inszenieren will. Das Drehbuchschreiben hat dann allerdings Jahre gedauert, denn ich wollte die Jugend vielfältig darstellen. Ich begann mit der Arbeit bereits 2012. Der Film sollte aber nicht bloß um eine Hauptfigur zirkeln, sondern ist eigentlich ein Serienkonzept. Es gibt viele Parallelhandlungen, das ist im Spielfilm nicht so üblich.

Die Furche: Wie viel Autobiografisches steckt in dem Film?

Art: Eine ganze Menge, vor allem in den frühen Drehbuchfassungen. Dann brachten aber auch die Schauspieler ihre eigenen Erfahrungen mit ein. Ich trug dieselbe Schuluniform wie die Mädchen im Film und bin auch am Drehort aufgewachsen, in Lanzenkirchen in Niederösterreich. Ich glaube, dass Stoffe, die gut funktionieren, meist einen persönlichen Bezug zum Autor haben.

Die Furche: Jugendliche Lebenswelten zu zeigen, ist heikel, weil man sehr schnell in Klischees oder unechte Gefühle kippt. Wie geht es trotzdem?

Art: Wir haben eineinhalb Jahre lang 500 Jugendliche gecastet, bis ich mir ganz sicher war, und ich suchte vorzugsweise Laien, weil die vor der Kamera natürlicher sind als professionelle Schauspieler -gerade, wenn es um junge Leute geht. Am Ende gab es ganz klar nur eine Person für jede Figur. Im Castingprozess war mir wichtig, von den Kids auch etwas Persönliches zu erfahren, ihre Situation in der Schule, im Alltag.

Die Furche: In Ihrem Team gab es einen hohen Frauenanteil. Wie stehen Sie zur Frauenquote im Film?

Art: Im Studium in der Sparte Drehbuch gibt es die meisten Frauen, von denen in der späteren Arbeitswelt letztlich aber kaum jemand ankommt, denn dort gibt es hauptsächlich männliche Autoren. Ich hoffe, dass sich das bald ändern wird.

Siebzehn

A 2017. Regie: Monja Art. Mit Elisabeth Wabitsch, Anaelle Dézsy. Filmladen. 104 Min.

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