Gegen die Angst vor der Angst

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"Hedi Schneider sitzt fest": Mit Humor und großer Einfühlsamkeit erzählt die deutsche Regisseurin Sonja Heiss die Geschichte der Hedi Schneider, die unter Panikattacken leidet.

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"Hedi Schneider sitzt fest": Mit Humor und großer Einfühlsamkeit erzählt die deutsche Regisseurin Sonja Heiss die Geschichte der Hedi Schneider, die unter Panikattacken leidet.

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Entspannt und leicht beginnt "Hedi Schneider steckt fest" mit einer Fahrradfahrt der Protagonistin (Laura Tonke) durch Frankfurt zu ihrem Arbeitsplatz in einem Reisebüro. Die Mittdreißigerin wirkt fröhlich, ihre kräftig rote Strumpfhose und die hellblauen Vorspanntitel verstärken die gelöste Stimmung. Den Ärger mit einem Arbeitskollegen nimmt sie locker und auch, als sie im Lift stecken bleibt, bleibt sie entspannt und witzelt mit dem Mann an der Gegensprechanlage.

Mehr verunsichern sie schon der Tod einer Tante und die Fragen ihres sechsjährigen Sohnes Finn (Leander Nitsche) über Tod und Sterben. Auch der zunehmende Druck am Arbeitsplatz steigert ihr Unwohlsein, bis sie glaubt, einen Schlaganfall zu haben und ins Krankenhaus eingeliefert wird, wo die Diagnose "Panikattacken" gestellt wird.

Heimtückische Krankheit

In präzisen Alltagsszenen vermittelt Sonja Heiss in ihrem zweiten Spielfilm nicht nur, wie sich diese Krankheit auf die Protagonistin auswirkt, sondern mehr noch, wie sie ihre zunächst harmonische Kleinfamilie belastet und beispielsweise der Lebenstraum ihres Mannes Uli (Hans Löw) von der Arbeit für eine NGO in Afrika an der Krankheit zerbricht.

Die kräftigen Farben vom Beginn weichen zunehmend gedämpften Tönen und nur, wenn Hedi einmal unter Medikamenteneinfluss befreit tanzt, trägt sie ein leuchtend rotes Kleid. Doch weder mit Chemie noch mit Psychiater noch mit Therapieversuchen ihres Mannes lässt sich diese Angst vor der Angst, deren Ursachen letztlich im Dunkeln bleiben, leicht vertreiben. Dennoch geht es nicht endlos abwärts, sondern Heiss, die selbst einige Zeit unter Angststörungen litt, lässt ihre Protagonistin auch wieder Fuß fassen, ihre Arbeit wieder aufnehmen und kann dabei prägnant zeigen, wie das betuliche Verhalten der Kollegen schon wieder belastet.

Trotz des ernsten Themas ist dies aber kein beklemmendes Betroffenheitskino und auch kein papierener Thesenfilm, der ein Thema abhandelt, sondern eine wunderbar differenzierte und vielschichtige Tragikomödie. Souverän federt die deutsche Regisseurin mit punktgenauer Inszenierung ernste Szenen immer wieder mit Witz ab, sodass Weinen und Lachen nahe beieinander liegen, sie verharmlost aber nie die Krankheit.

Ein warmherzig-mitfühlender Blick

Man spürt in jeder Szene, dass sie genau weiß, wovon sie erzählt. Mit ihrem warmherzig-mitfühlenden Blick versteht sie es, große Sympathie nicht nur für die Hauptfigur zu wecken, sondern auch für deren Mann, der sich aufopferungsvoll um Hedi bemüht und dennoch an dieser Aufgabe zu zerbrechen droht.

Bauen kann Heiss dabei auch auf eine großartige Laura Tonke, die zwar eindringlich die Störung Hedis vermittelt, mit ihrem Witz aber auch immer wieder dafür sorgt, dass "Hedi Schneider steckt fest" Leichtigkeit bewahrt. - Einfache Lösung kann es bei diesem Thema freilich keine geben. Offen bleiben muss das Ende und genießen muss man jeden Moment des Glücks, denn nie weiß man, ob diese Krankheit, die jeden treffen kann, nicht plötzlich wieder losbricht.

Hedi Schneider steckt fest

D/N 2015. Regie: Sonja Heiss. Mit Laura Tonke, Hans Löw, Leander Nitsche. Polyfilm. 90 Min.

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