Gegen die religiöse Selbstgefälligkeit

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Thema: Religionskritik

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Thema: Religionskritik

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„Wer Theologen-Blut im Leibe hat, steht von vornherein zu allen Dingen schief und unehrlich“: Das ist Nietzsche, natürlich. Und es kommt noch ärger: „Man fordert, dass keine andre Art Optik mehr Wert haben dürfe, nachdem man die eigne mit den Namen ‚Gott‘, ‚Erlösung‘, ‚Ewigkeit‘ sakrosankt gemacht hat.“ Er meint christliche Theologen, aber vielleicht fühlen sich andere ja auch angesprochen. Spätestens seit Religion wieder „in“ ist, empfiehlt es sich, Nietzsche zu lesen. Er ist einfach ein Gegengift gegen alle mögliche Selbstgefälligkeit religiöser Menschen, gegen dieses penetrante Bescheidwissen, gegen ihre Gottesperspektive, die anderen sagt, wie es ist und wie es geht, und ihr Gefühl, auf der richtigen Seite zu stehen.

Die unkritische Gleichsetzung von Religion und Güte ist schlicht durch die Fakten widerlegt. Die Religionen haben viel Gutes bewirkt. Aber es gilt leider auch: „Religion ist die letzte Zuflucht menschlicher Grausamkeit.“ Das war jetzt nicht mehr Nietzsche, sondern Alfred North Whitehead, ein amerikanischer Philosoph und Mathematiker († 1947). Und er hat leider recht: bis heute und an vielen Orten.

Was setzen wir dieser Religionskritik entgegen? Jener, die den Religionen intellektuelle Unehrlichkeit zuschreibt, und jener, die mit ihrer problematischen ethischen Gesamtbilanz argumentiert? Wir, die „Gläubigen“, wir, die Theologen und Theologinnen? Unseren guten Willen? Unsere persönliche Redlichkeit? Unsere guten Erfahrungen? Und welche Argumente?

Oder setzen wir auf die neue Konjunktur von Religion in einer verunsicherten Gesellschaft, in der immer mehr fürchten, auf etwas zu verzichten, was sie noch gebrauchen könnten, wenn sie auf Religion(en) verzichten? Wie also gehen wir mit Religionskritik um?

Jenseits des erfreulichen neueren Konsenses, unsere Kritiker nicht mehr umzubringen?

* Der Autor ist kath. Pastoraltheologe an der Universität Graz

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