Handke - Credit: APA/dpa/Manfred Rehm - © Credit: APA/dpa/Manfred Rehm

Gegen vorgefasste Bilder und Urteile

19451960198020002020

Die Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke stößt auf viel Kritik. Dabei werden häufig herausgelöste Satzbausteine als inkriminierende Beweise angeführt.

19451960198020002020

Die Verleihung des Nobelpreises an Peter Handke stößt auf viel Kritik. Dabei werden häufig herausgelöste Satzbausteine als inkriminierende Beweise angeführt.

Werbung
Werbung
Werbung

Auf eine APA-Meldung in der Presse online mit dem Vorspann-Resümee für eilige Scroller, Handke „könne nicht nachvollziehen, warum seine Texte für die Angehörigen der Opfer der serbischen Massaker unannehmbar seien“, reagierte ein gewisser „Igonta“ am 23. November 2019 um 13:49 Uhr mit folgendem Begehr: „Wien [!] wäre es, wenn die Zeitung zumindest einen Teil der umstrittenen Texte abdrucken würde, dann könnte man sich selbst eine Meinung bilden?“ Knapp zwei Stunden später antwortete ihm „Adam Brogans“: „Die ,umstrittenen Texte‘ sind das geistige Eigentum von Peter Handke! Von deren Verkauf bestreitet er sein Leben. Alle diese Texte sind käuflich zu erwerben – oder in der Nationalbibliothek nachzulesen. Wer hindert Sie daran, dass [!] zu tun? Hochliteraturtexte sind keine Sportberichte. Zur Kultur muss man sich HINbewegen.“

Krieg und Leid auf dem Balkan

Dem ist nichts hinzuzufügen – das Problem der „eigenen Meinung“ ist damit freilich nicht gelöst und schon gar nicht das mit den endlos kursierenden Satzfragmenten, gern verpackt in ein emotionalisierendes Rundum, aus denen sich die „Unterstellungsprosa“ (Lothar Struck) speist. „Teile aus dem Gewebe der einander widersprechenden Gedanken in diesem sich selbst befragenden, kontrapunktischen Denken und Bedenken“ (Hans Höller) herauszulösen, ist gerade bei Handkes mäandernder, Wortbildungs- wie Grammatikregeln oft bewusst aushebelnder Schreibweise höchst bedenklich.

Das verärgert manche, die es lieber eindeutig hätten: „Wirklich festnageln können wir diese Stimme nie“, so Alida Bremer. „Niemand“, schrieb Michael Martens in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, „hat die Massaker, den Krieg und das Leid auf dem Balkan so ausdrucksstark zur Petitesse erklärt wie Handke“. Doch eigentlich hat gerade Handke die Jugoslawienkriege nachhaltig erinnerlich gehalten – samt dem Faktum, dass zu Beginn vor allem die rasche Anerkennung Sloweniens und Kroatiens durch den Westen die Eskalation der Dinge vorantrieb, und da konnte es manchen gar nicht schnell genug gehen. So hat der österreichische Außenminister Alois Mock Franjo Tudjman bereits eine Art offiziellen Staatsbesuch ausgerichtet, noch ehe der Staat Kroatien existierte. Der Empfang fand praktischerweise in den Räumlichkeiten der Industriellenvereinigung statt, schließlich wurde gleich vorab das Projekt einer Verlängerung der Pyhrn-Autobahn besprochen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung