Hölle - © Foto: Pixabay

"The House That Jack Built": Geh zur Hölle

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"The House That Jack Built": Bruno Ganz brilliert in Lars von Triers neuem Film als -höllischer? - Gesprächspartner eines rastlosen Serienkillers.

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"The House That Jack Built": Bruno Ganz brilliert in Lars von Triers neuem Film als -höllischer? - Gesprächspartner eines rastlosen Serienkillers.

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Bruno Ganz ist als Engel weltberühmt: Wim Wenders "Himmel über Berlin", nunmehr schon vor 31 Jahren in die Kinos gekommen, machte den Iffland-Ring-Träger jedenfalls für die Filmhistorie unsterblich: Wie Ganz als Jenseitsgeist Damiel reüssierte, der seine außerweltliche Existenz gegen die Sterblichkeit eintauschen will, bleibt unvergessen.

Nun kommt Bruno Ganz mit seiner unnachahmlichen Stimme auch bei Lars von Trier als Engel daher: Im neuesten Film des dänischen Regie-Berserkers mimt Ganz aber nicht ein zauderndes Himmelswesen, sondern den höllischen Gesprächspartner einer wahrhaft höllischen Existenz namens Jack.

Ausgelebte Horror-Fantasien

In "The House That Jack Built" lebt Lars von Trier einmal mehr seine Horror-Fantasien aus -und er macht es einmal mehr so, dass sein Publikum nicht von ihm und seinem Opus lassen kann. Alle Schlechtigkeit, derer der Mensch fähig ist, hat diesen Regisseur immer schon mehr interessiert als alles sonst auf der Welt. Und in der sanften Begleitung dieses Todesengels Verge, wie Bruno Ganz hier heißt, macht sich Jack, der Serienkiller, auf einen Weg zur Hölle, der nicht einmal mehr mit guten Vorsätzen gepflastert ist.

Lange Zeit ist Verge alias Bruno Ganz auch nicht als schwarzer Engel erkennbar, nur im Off ist seine Stimme zu hören, mit der dieser sanfte Satan Jack, den üblen Täter, auf seinem Weg in den Abgrund begleitet. Und es ist die einlullende Sanftheit, die auch diesen Killer zu betören scheint.

Aber sanft, das weiß der geeichte Lars-von-Trier-Kenner sowieso, ist hier gar nichts. Mag der Zuschauer wie der Serienmörder in der zarten Zerbrechlichkeit, die Verge zumindest phonetisch ausstrahlt, eingefangen bleiben: Am Schicksal der Menschen, die Jack unterkommen, gibt es nichts zu deuteln. Und dieses besteht aus Grausamkeit pur.

Lars von Trier erzählt in "The House That Jack Built" zwölf Jahre aus dem Leben des Protagonisten, an fünf Morden darf das p.t. Publikum exemplarisch teilhaben - von den 1970er-Jahren bis in die unmittelbare Jetztzeit. Doch diese Morde sind keine wüsten Gewalttätigkeiten, zumindest versteht das Jack so, sondern es handelt sich um Kunstwerke, die immer ausgklügelter scheinen: Mord als ultimative Performance Art mit Jack als Artist in Residence, der wohl weiß, dass er den Häschern von der Polizei letztlich nicht entrinnen wird.

Misogynie und Misanthropie

In vier der fünf "Vorfälle" vergeht sich Jack an Leib und Leben von Frauen: Uma Thurman spielt die erste, die eine Reifenpanne und das Pech hat, dass bloß Jack vorbeikommt und sie scheinbar rettet. In Vorfall zwei macht er sich an eine Einkäuferin eines Supermarkts (Siobhan Fallon Hogan) heran, beim dritten Vorfall beseitigt er seine Frau (Sofie Gråbøl) und die beiden Kinder. In Nummer vier treibt Jack die sexy Jacqueline (Riley Keough) in den Tod, bis er auf die wahrhaft teuflisch-künstlerische Idee verfällt, eine an eine Stange angebundene Schar von Menschen mit einer einzigen Kugel zu töten. Über all dies und die Kunst des Mordens tauscht sich Jack mit seinem gefallenen Engel Verge aus: Er diskutiert mit ihm über Kunst oder über Verwesung oder über die Fertigkeit, Eiswein oder Trockenbeerenauslese herzustellen.

Erst als es gen Inferno geht, kommt Verge, der Begleiter, Verge, der Engel, auch körperlich zum Vorschein -ein Stichwortgeber, kein Mephisto, der den Lebensverneiner in den letzten Abgrund stößt: Erst als es gilt, die ultimative Brücke, die schon entzweigebrochen ist, zu überwinden, sucht Jack dem Schicksal und dessen sanften Boten zu entrinnen.

Man mag Lars von Trier vorhalten, er könne nur mehr noch von Unheilsgestalten erzählen. Aber er tut dies mit einer Verve, die ihrerseits schon wieder beachtlich ist. Und wenn man als gelernter Österreicher meint, mit Thomas Bernhard den ultimativen -literarischen -Misanthropen zu kennen, so toppt diesen Lars von Trier ganz gewiss.

Der Däne auf dem Regiestuhl zitiert in "The House That Jack Built" seine eigenen filmischen Gewaltorgien -da ein Aufblitzen des Hexenwaldes aus "Antichrist" mit Willem Dafoes Fuß von einem Eisenteil durchbohrt, dort ein kurzer Flash aus von Triers Apokalypse namens "Melancholia": Das alles hat der Zuschauer längst gesehen -und muss weiter versuchen, sich an diesen Fantasien sattzusehen.

Auch in den Morden ein Rastloser

Mag ja sein, dass Lars von Trier keine Abstriche bei der Gewalt, die sein unentrinnbares Thema ist, macht. Vielleicht trägt sein Schaffen mehr und mehr Züge einer bipolaren Störung in sich. Bei "Antichrist" (2009), "Melancholia" (2011) oder "Nymphomaniac" (2013) lässt er nichts an Depression aus, was ihm unterkommt, anfangen bei der unerträglichen Kindertodszene zu Händel-Musik in "Antichrist". Doch "The House That Jack Built" erweist sich dem gegenüber als manischer Zugang: Dieser Jack ist auch in seinem Morden ein Rastloser -und Lars von Trier bricht das grausige Geschehen mehr als einmal mit subtiler bis brachialer Ironie.

Nein, nicht einmal im abgründigsten Abgrund kann der Zuschauer erahnen, was ihn erwartet. Und genau dieses Changieren zwischen blankem Schabernack und Nihilismus macht ja auch den Reiz von "The House That Jack Built" aus.

Dass diese betörende Verstörung neben der Riege der die ermordeten Ladys darstellenden Schauspielerinnen vor allem durch die Performance von Matt Dillon in der Berserker-Rolle des Serienkillers Jack zu verdanken ist, soll auch erwähnt bleiben. Und natürlich von der unnachahmlichen -erst stimmlichen, dann physischen -Präsenz dieses Todesengels und sanften Teufels namens Verge: Ohne Bruno Ganz wäre "The House That Jack Built" nur halb so eindrucksvoll geworden. Aber auch halb so mitnehmend.

Man sollte sich mit Recht vor dem nächsten Lars-von-Trier-Streich fürchten. Und trotz allem dem aktuellen einen -vielleicht nicht ganz ersprießlichen -Kinoabend widmen.

The House That Jack Built DK 2018. Regie: Lars von Trier. Mit Matt Dillon, Bruno Ganz, Uma Thurman, Siobhan Fallon Hogan, Sofie Gråbøl, Riley Keough. Filmladen. 153 Min.

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