Gehend Schreiben

19451960198020002020

Für walter KappaCher ISt SChreIben harte arbeIt. von der anStrengung deS autorS Sollen dIe leSer FreIlICh nIChtS merKen.

19451960198020002020

Für walter KappaCher ISt SChreIben harte arbeIt. von der anStrengung deS autorS Sollen dIe leSer FreIlICh nIChtS merKen.

Werbung
Werbung
Werbung

Knapp nach seinem 40. Geburtstag beschloss Walter Kappacher, geboren 1938, seinen Brotberuf als Reisebüro-Kaufmann aufzugeben und fortan vom Schreiben zu leben. 1975 lenkte die von Martin Walser euphorisch geschriebene Zeit-Rezension über Kappachers Romanerstling "Morgen" die Aufmerksamkeit auf den Salzburger Schriftsteller. Die Attribute "still","zurückgezogen","brutale Zurückhaltung des Erzählens" sowie "Außenseiter" begleiten Walter Kappacher seither. In seinem neuesten Roman "Der Fliegenpalast" (2009, Residenz) schreibt Walter Kappacher über zehn Tage im Leben Hugo von Hofmannsthals. H., wie er im Roman genannt wird, macht sich am Ort der Familien-Sommerfrische seiner Kindheit, in Bad Fusch, auf Spurensuche in die Vergangenheit.

BOOKLET: Sie wurden und werden als "leiser" Autor bezeichnet, Martin Walser schrieb von einer "brutalen Zurückhaltung des Erzählens". Finden Sie diese Zuschreibung passend?

WALTER KAPPACHER: Vielleicht würde eine genauere Untersuchung meiner Erzählungen und Romane ergeben, dass nicht immer die gleiche Lautstärke eingestellt ist. Das Wort "brutal" jedenfalls scheint mir nicht zutreffend. Herr Walser, auf den dieses Zitat ja zurückgeht, hatte sich damals intensiv politisch betätigt, und wahrscheinlich erschien ihm meine Prosa, in der nur das Verhalten, die eher unauffällige Rebellion eines jungen Berufstätigen geschildert wurde -ohne lautstarke Kommentare über die politischen Verhältnisse -, als ungewöhnlich.

BOOKLET: Sie lassen Ihre Helden und Protagonistinnen oft in der Spannung zwischen "dazugehören" und "abseits stehen" leben.

KAPPACHER: In den Helden oder Protagonisten steckt ja gewöhnlich immer etwas vom Autor. Da ich zeit meines Lebens immer ein Außenseiter war, niemals irgendwo dazugehört habe, haben Sie sicher recht. Andererseits bin ich aber davon überzeugt, dass man als Autor ohnehin nur außerhalb stehen kann.

BOOKLET: Sind Sie eigentlich - wie Ilse Aichinger -ein Kinogeher? Sehen Sie "innere" Filme, auf der Straße, etwa wenn Sie durch Salzburg gehen?

KAPPACHER: Als junger Mensch war ich ein eifriger Kinogeher; jeden Samstagabend stand ich in der Menschenmenge vor dem Salzburger Stadtkino, wo zum Beispiel immer die neuesten Hitchcock-Filme gezeigt wurden, von denen ich ein Fan war und bin. Aber ich habe auch auf meinen langen Spaziergängen in die Peripherien Salzburgs eigene Filme innerlich ablaufen lassen, so dass ich oft nicht hätte sagen können, wie ich von Parsch nach Liefering gekommen bin. Nicht bewusst habe ich diese im Halbtraum entstandenen Bilder "verwendet". Es entstand vielleicht in meinem Kopf ein reicher "Fundus" von Bildern, und das Schreiben wurde von ihm bedient -wenn es gut lief.

BOOKLET: Dann könnte man Ihre Spaziergänge als Arbeitsgänge bezeichnen?

KAPPACHER: Ohne die könnte ich schlecht arbeiten -Elias Canetti hat einmal von einem Autor gemeint: "Er schrieb seine Romane nicht, er ging sie." Da habe ich mich sofort angesprochen gefühlt. An den Nachmittagen die Spaziergänge, am Vormittag danach das Schreiben. Beim Gehen imaginiere ich Figuren, Konstellationen, Tonfälle, probiere Satzrhythmen aus Das vergesse ich dann wieder, und was ich mir während des Gehens vielleicht notiere, schaue ich vor dem Schreiben nicht mehr an.

BOOKLET: Worauf achten Sie beim Schreiben dann besonders, was ist Ihnen wichtig?

KAPPACHER: Mir ist die Substanz wichtig, gelungene Sätze, die der Leser in seinem Kopf umwandeln kann in eine für ihn gültige Realität. Sätze in jene schwingende Bewegung zu versetzen, die dann im Leser den Eindruck von etwas Lebendigem erwecken Die Sprache ist für mich nicht der "Held" eines Textes, beim Erzählen geht es ja vor allem um glaubwürdige Personen.

BOOKLET: Ihre Protagonisten, aus deren Handeln bzw. Nichthandeln sich dann eine Geschichte entwickelt, sind aber nicht besonders spektakulär

KAPPACHER: James Joyce hat sinngemäß einmal gesagt: Das Spektakuläre ist für die Journalisten, das Einfache ist für den Schriftsteller. Ich habe darüber nie nachgedacht, wahrscheinlich interessiert mich beim Schreiben das Spektakuläre nicht -so wie mir ohnehin alle Spektakel, sportliche oder andere, unangenehm sind. Ich gehe dergleichen immer aus dem Weg.

BOOKLET: In Ihren Geschichten, etwa in "Nur Fliegen ist schöner", thematisieren Sie Alltags-Absurditäten; kafkaesk wurden sie genannt. Schreiben Sie eigentlich noch Kurzgeschichten?

KAPPACHER: In den letzten Jahren sind keine Kurzgeschichten entstanden. Meine Romane sind ja im Grunde lange Erzählungen. Aber heutzutage muss auf jedem Buchumschlag "Roman" gedruckt sein, sonst kaufen es die Leute angeblich nicht. 600-Seiten-Romane schreibe ich ja nicht und lese ich auch nicht so gerne. Meine Texte sind ursprünglich immer viel umfangreicher -dann packt mich ein Rappel und ich kürze alles, was entbehrlich ist.

BOOKLET: Schreiben vom "anderen Leben", Rückkehr an einen Ort der Kindheit -erzählt diese Themenwahl etwas von Ihrer eigenen Sehnsucht?

KAPPACHER: Die allermeisten Menschen sehnen sich wahrscheinlich -zeitweise zumindest -nach einem "anderen" Leben. Was hat man sich nicht vorgestellt, vorgenommen Mir geht es genauso. Also ist es ja nicht ungewöhnlich, dass solche Vorstellungen oder Wünsche nach einem anderen Leben in fast allen meinen Büchern vorkommen.

BOOKLET: In Ihren frühen Romanen, dann auch im Roman "Silberpfeile", der Autorennen und Raketentechnik thematisiert, haben Sie viel aus der Welt der Motoren, der Technik geschrieben. Ebenso sicher zeichnen Sie nun völlig andere Innen-und Außenwelten, etwa die Toskana in "Selina", den Kurort Bad Fusch in "Der Fliegenpalast", die Verzweiflung des innerlich verwundeten H., also Hugo von Hofmannsthals. Wie kann man über so unterschiedliche Welten schreiben, wie gelingt Ihnen die Umstellung?

KAPPACHER: Ich sehe darin keinen Widerspruch. Als Autor sollte einem ja eigentlich nichts auf der Welt fremd sein. Das ist leicht gesagt, ich weiß. Es ist halt Arbeit, harte langwierige Arbeit. Davon sollte freilich der Leser nichts merken. Es war bei mir immer so, dass ich eine Arbeit, einen Beruf nicht mehr ausüben wollte, wenn ich das Gefühl hatte: Das kann ich jetzt. Seit dreißig Jahren beschäftige ich mich nur noch mit dem Schreiben. Und das werde ich nie "können" - das sage ich gewiss nicht aus Koketterie.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung