Gehorsams- statt pastoraler Sach-Debatte

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Der Konflikt rund um den "Aufruf zum Ungehorsam“ der Pfarrer-Initiative ist für Paul M. Zulehner eine weitere Facette der katholischen Leitungskrise.

Vor einer Eskalation des Konflikts zwischen der Pfarrer- Initiative und Kardinal Christoph Schönborn warnt Paul M. Zulehner: Beide Seiten würden verlieren, so der Pastoraltheologe.

Die Furche: Der Konflikt zwischen Kardinal Schönborn und der Pfarrer-Initiative um deren "Aufruf zum Ungehorsam“ eskaliert. Wie bewerten Sie diesen Konflikt?

Paul M. Zulehner: Er hat zwei Ebenen: Das erste ist die Auseinandersetzung zwischen den handelnden Personen. Das andere sind die pastoralen Notlagen: Hier versuchen die Gemeinden, eine Entwicklung in Gang zu bringen - etwa bei der Sakramentenzulassung von wiederverheirateten Geschiedenen oder auch der Gemeindeleitung und der Predigt durch Laien. Und sie bewegen sich weg von dem, wo die Kirchenleitung meint, es würde unumstritten gelten. Die Pfarrer sind jenes Ohr der Kirche, die nahe an diesen Entwicklungen dran bleiben, sie sind nur Lesehilfe für einen vorhandenen Konflikt. Selbst wenn sich der Kardinal und die Pfarrer-Initiative einigen würden, bliebe dieser ungelöst.

Die Furche: Manche stoßen sich, dass die Pfarrer-Initiative das Wort "Ungehorsam“ verwendet.

Zulehner: Dies ist tatsächlich ein provokatives Wort. Im Grund genommen sprechen die Pfarrer aber nur über die Realitäten, die sie in den Gemeinden vorfinden und die sie benennen: Das ist ein Weg, den die Menschen in den Gemeinden gehen, und der ihrer Einschätzung nach nicht völlig vom Weg des Evangeliums abweicht. Das als "Ungehorsam“ zu bezeichnen ist unglücklich und der Lösung des großen Themas nicht dienlich. Jetzt haben wir ja eine Gehorsamsdebatte statt einer pastoralen Sachdebatte.

Die Furche: Wie kommt man wieder zu einer pastoralen Debatte?

Zulehner: Jeder Organisationsberater würde jetzt Maßnahmen zur Deeskalation empfehlen. Denn sonst wird es nur Verlierer geben - die Pfarrer-Initiative ebenso wie den Kardinal. Beide Seiten werden bestrebt sein, dass es für beide Seiten eine Win-Win-Situation gibt. Das setzt aber voraus, dass beide eine neue Qualität in den Konflikt hineinbringen. Die Pfarrer-Initiative müsste sagen: Gut, wir haben in unser Paket unglaublich viel hineingepackt. Wir knüpfen das auf und unterscheiden zwischen pastoral aktuellen, leichter lösbaren Dingen und kirchenpolitisch oder ökumenisch schwerwiegenderen Fragen. Ob Laien Gemeinden leiten, ist ein völlig anderes Thema als die Frage, ob man in der katholischen Kirche Frauen ordinieren wird. Analoges gilt für den Kardinal. Auch er könnte sagen: Im Paket eurer vielen Vorschläge und Wünsche sind ja auch sofort lösbare Fragen dabei. Dass etwa die Laien predigen können - warum soll das nicht wiederkehren, nachdem wir das nach dem Konzil ja schon gehabt haben? Und die Gemeindeleitung durch Laien denkt er ja, soweit ich weiß, ohnedies schon aus reiner Not an. Er könnte hier sagen: Euer Anliegen mache ich zu meinem.

Die Furche: Birgt die weitere Eskalation nicht auch die Gefahr der nächsten Austrittswelle?

Zulehner: Denjenigen, den es nur um die "Wahrheit“ geht, ist das völlig egal, weil die sagen: Lieber eine eindeutige Kirche als eine von so vielen Mitläufern … Ich verstehe aber nicht, dass auch der Kardinal den Pfarrern sagt, sie sollten sich überlegen, ob sie noch mit der katholischen Kirche mitgehen könnten. Die katholische Kirche ist in so vielen Fragen plural. Wenn etwa Kardinal König schon 1963 gewünscht hat, die katholische Kirche möge in die Schule der Orthodoxie gehen …

Die Furche: … und von deren Umgang mit Geschiedenen lernen …

Zulehner: … dann hätte ja auch Kardinal König suspendiert werden müssen, weil er da etwas vorschlägt, was mit der Kirchendisziplin angeblich nicht vereinbar ist.

Die Furche: Einige Forderungen der Pfarrer-Initiative sind ja längst Praxis, etwa dass wiederverheirateten Geschiedenen die Kommunion nicht verweigert wird, wenn es die pastorale Situation erfordert.

Zulehner: Das wäre so ein Thema, wo Kardinal Schönborn sagen könnte: Ich werde mir euer Anliegen zueigen machen. Ich werde da nicht Exekutor einer durchaus diskutierbaren Kirchenposition sein, sondern Vorschläge zu deren Weiterentwicklung machen. Er hätte dann auf seiner Seite das Wissen der Organisationsentwicklung: Wenn eine Organisation sich unentwegt und notorisch gegen jegliche Reform wehrt, erstarrt sie und macht sich selber kaputt. Das widerspricht auch dem Prinzip der Ecclesia semper reformanda, dass sich die Kirche erneuern muss, wie unter modernen Bedingungen das Evangelium gelebt werden kann.

Die Furche: Sie konstatieren also eine Kluft zwischen Kirchenleitung und pastoraler Realität …

Zulehner: … die zum Schaden aller unzulässig groß geworden ist. Das war auch die Kernbotschaft in meiner Pfarrerstudie 2010. Eine Leitung, die das auf lange Zeit so sein lässt, verliert jede Gestaltungsmöglichkeit; das führt zu einer Pastoral ohne bischöfliche Gestaltung. Das gefällt mir übrigens gar nicht: Denn gerade in dynamischen Zeiten ist eine kluge bischöfliche Gestaltung unverzichtbar.

* Das Gespräch führte Otto Friedrich

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