Geistesstützen eines kritischen Künstlers

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Kunstdebatte, Alter und Lyrik: Durch Skizzen des Tiroler Malers Anton Christian und assoziative Gedichte von Christoph W. Bauer, versammelt in einem Kunstband, bekommt man Einblick in die Denkweise beider Künstler.

„Geistesstützen, die mich niemals blind und ideenlos allein lassen vor weißen Flächen und leeren Räumen“, so nennt der Tiroler Maler Anton Christian seine Skizzen. Ein Querschnitt dieses „Ideenbassins künftiger Arbeiten“ ist in dem Kunstband „schweben im kopf“ im Haymon Verlag erschienen. Zusätzlich zu Christians Zeichnungen und Vorarbeiten sind darin Gedichte von Christoph W. Bauer zu finden, die dieser in freier Assoziation zu Christians Arbeiten hergestellt hat.

Aus rund 35 Jahren stammen die Skizzen des Künstlers, der bei Innsbruck lebt und für seine oft impulsiv hergestellt, depressiv und dunkel wirkenden Arbeiten zu sozialkritischen Fragen ebenso bekannt ist wie durch jene zu mythologischen Stoffen und zu Fragen der Kunst und Kunstrezeption. Integraler Bestandteil seines Schaffens ist das Ineinandergreifen grafischer und skripturaler Kunst, oft kommentiert Christian Gemaltes und Gezeichnetes, oft übermalt oder überzeichnet er seine schriftlichen Notizen. Dabei ist es ihm nicht wichtig, dass man das, was er geschrieben hat, noch lesen kann.

„scheiß auf Kunst“

Christians Hauptthemen Alter, Angst, Einsamkeit und Schmerz einerseits und die Beschäftigung mit der Frage danach, was Kunst sei, und danach, wer sich Künstler nennen dürfe, andererseits dominieren sein Œuvre ebenso wie dieses Skizzenbuch. Ob Christian schreibt, Skizzen zeichnet oder übermalt – stets sind seine Arbeiten von einem impulsiven Gestus gekennzeichnet.

Oftmals hat der Künstler eigene Notizen kraftvoll und großflächig überpinselt oder mit vielen Bleistiftstrichen überzeichnet. So auch eine Betrachtung über Kunst, die von einer hockenden Figur überzeichnet ist – darunter der Kommentar: „scheiß auf Kunst“. Bauer, dessen Lyrik Assoziationen zu den Skizzen aufgreift und durch das Buch leiten soll, dichtet dazu: „kunst ist nichts anderes als ein treppenwitz für eingeweihte … wenn ich mir so zuhöre jetzt unverständlich vor mich hin murmelnd ach scheiß drauf.“ Und wenn Christian in einer Notiz in harter Art und Weise schreibt „Allumfassend kompetent zu gelten ist Pflicht geworden. Aus Angst, als unwissend abgetan zu werden, lässt man sich Scheiße als Kaviar füttern – wie Kunst, zum Beispiel“, dann nimmt Bauer das hingestreckte Staffelholz auf und schreibt: „Hundsdreck oder kaviar fragt sich die zunge schon lange nicht mehr.“ Neben Christians Skizze eines Gänseblümchen-umrankten männlichen Gliedes schreibt Bauer salomonisch: „faszinierend kann man vieles finden.“

Die Skizzen des Malers spiegeln signifikant die Selbstzweifel des Künstlers und die Fragen, mit denen er konfrontiert ist, wider. „Ehrungen der Nachwelt“ zeigt eine Hühneransammlung. Eine Aufzählung, was ein Künstler sei, listet „der Chaot, der Neurotiker, der bunte Vogel“ auf; später hat Christian hier „der Arschkriecher, Romantiker“ hinzugefügt. Auch Bauer gibt preis, wie es ihm mit der Arbeit an den Gedichten gegangen ist, einmal schreibt er darüber, bei einem Anruf von Christian zugegeben zu haben, „zwei linke Hände, aber noch einiges in der hinterhand“ zu haben.

Bedrückend und trostlos

Auf der anderen Seite ist das in Anton Christians Œuvre omnipräsente Thema Alter stark vertreten. „Wenn ich alt bin“ schreibt er unter die Skizze einer in sich zusammen geknickten Figur. „vom rand aus betrachtet ist jeder tag eine negierung der nachlassenden kraft“, assoziiert Bauer. Christians Gemälde sind dunkel, depressiv, sozialkritisch, sie erzählen vom Abschieben der Alten, von deren Schmerzen. Sie anzuschauen berührt und schmerzt, die kreierte Stimmung ist bedrückend und trostlos.

Anton Christian steht aber nicht nur im Rahmen dieser Buchpublikation im Blickpunkt, das Haus der Kunst Galerie Lendl zeigt im September seine Werke, ab 22. Oktober widmet ihm das Museum im Zeughaus in Innsbruck die Schau „Paarweise“, in der Christian seinen Zyklus „Alte Leute“ zu einer installativen Präsentation zusammengefasst hat.

Anton Christian: schweben im kopf

Mit einem Gedichtzyklus von Christoph W. Bauer. 144 S., Haymon, 2010, 49,—

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