Geistige Bewältigung von Angst

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Man schreibt April 1789. Wir stehen also am Beginn der Französischen Revolution, die uns bis zum Sommer 1794 fesseln wird, fanden damals doch sechzehn Karmelitinnen aus dem Kloster in Compiègne den Tod auf dem Schafott. In dieses Kloster will sich die Hauptfigur, eine wunderbare Blanche de la Force (Myung Joo Lee), aus Lebensangst zurückziehen, da sie mit ihrer Reisekutsche unter aufständische Bürger geraten war. Seit Langem traumatisiert durch Erzählungen von einem ähnlichen Ereignis, das bei ihrer damals mit ihr schwangeren Mutter deren verfrühte Niederkunft auslöste, bei der die Mutter starb, möchte sie mit Einwilligung ihres Vaters, des Marquis de la Force (Franz Binder), in Compiègne als "Braut Christi“ aufgenommen werden. Weder der Vater noch Le Chevalier, ihr ihr liebevoll zugetaner Bruder (Pedro Velázquez Díaz), vermögen sie von ihren Ängsten zu befreien. Zum Glück findet sie in ihrer Co-Novizin Sœur Constance vom hl. Dionysius eine heitere, ihre von Angst geprägte Schwermut ausgleichende Freundin (Elisabeth Breuer).

Nachdem Madame de Croissy, die alte Priorin des Karmel, genannt Mutter Henriette von der Kindheit Jesu (Karen Robertson), Blanche einer strengen Prüfung unterzogen hat und den Namenswunsch der angehenden Novizin erfährt, nämlich "Sœur Blanche von der Todesangst Christi“, ist sie zufrieden, trat sie doch einst selbst mit diesem Namensmysterium in den Orden ein. Einer der stimmlichen und darstellerischen Höhepunkte war zweifelsfrei Robertsons ergreifende Sterbeszene. Ihren Tod vor Augen, vertraut sie Blanche der Obhut der strengen Mère Marie, genannt Mutter Maria von der Menschwerdung Christi (Larissa Schmidt), an. Zu aller Überraschung wird als neue Priorin keine Aristokratin, sondern die aus einfachen Verhältnissen stammende Madame Lidoine gewählt, genannt Mutter Maria vom hl. Augustin.

Die Letzte am Schafott

Die Bühne von David Hohmann erlaubt einen Aufgang zur Vorbühne, an die sich die Spielbühne anschließt, die man zunächst als persönliche Räumlichkeit von Madame de Croissy ansehen kann, doch schließlich zum Kranken- und Sterbezimmer der mit dem Tod ringenden alten Priorin wird. Das in die Tiefe reichende, nach vorne offene Rechteck der Hinterbühne empfiehlt sich als eine Art Atrium mit aneinandergereihten langen Tischen, hinter denen elegante, statuenhafte Menschen wie ausgeworfene Figuren stehen. Ein Zeichen für Stillstand? Im Gegenteil. Während einer kurzen Abwesenheit der neuen Priorin hat Mère Marie ihre Schwestern darauf eingeschworen, ein Martyrium-Gelübde abzulegen, mit dem die Nonnen dem Herrn ihr Selbstopfer anbieten. Blanche fühlt sich überfordert und flieht. Sie findet Zuflucht in ihrem verwüsteten Vaterhaus, wo sie für die "neuen Herren“ unerkannt niedere Arbeiten verrichtet. Ihr Vater war ermordet worden. Während Mère Maries Abwesenheit werden alle Nonnen verhaftet. Das Urteil wird verkündet: Tod durch die Guillotine.

Mit dem Hymnus des "Salve Regina“ betreten die Nonnen das Schafott. Eine nach der anderen wird durch das scharf zischende Beil gefällt. Sie alle haben sich geweigert, ihr Gelübde zu brechen. Als Letzte sieht Constance, wie sich aus der Menge eine Gestalt herausschält, um ihr im Tode beizustehen und den Gesang der Schwestern mit dem angestimmten "Veni creator spiritus“ zu beenden. Es ist Blanche, befreit von aller irdischen Angst.

Weitere Termine:

13., 19. April, 4. Mai, 5. Juni

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