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Wenn schwerwiegende Fehleinschätzungen und Irreführungen alltäglich werden und politisch keinerlei Konsequenzen haben.

Deutschland stellt einen Rekord auf: 87 Milliarden Euro Neuverschuldung im Jahr 2003. Damit überschreitet es die im Stabilitätspakt der EU festgelegte Höchstgrenze der Verschuldung noch deutlicher, als bisher befürchtet. Auch für nächstes Jahr zeichnet sich keine Rückkehr zur Budget-Disziplin ab. Dann wird Deutschland drei Jahre hindurch die Euro-Spielregeln gebrochen haben.

Dass es dafür nicht mit Milliarden-Strafen belegt werden wird, verdankt es Frankreich, das sein Budget ähnlich stark überzieht. Erst Sonntag Abend betonten Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac ihre Übereinstimmung in dieser Frage - nicht ohne zu betonen, man werde ehest möglich zum Wohlverhalten zurückkehren. Damit ist der Stabilitätspakt in seiner bisherigen Form tot. Ökonomisch mag das sogar Sinn machen.

Ärgerlich an der Sache ist allerdings, dass es Deutschland war, das den Euro-Staaten die Stabilitäts-Philosophie aufgedrängt hat. Jetzt sitzt also ein Großteil der EU im Boot mit den Schuldenmachern und kann zusehen, wie jene, die 1997 die Regeln verordnet haben, sie jetzt mit großzügiger Geste über Bord werfen.Bezeichnender für den lockeren Umgang mit Aussagen ist aber folgendes: Es ist noch keine 14 Monate her, dass Schröder sich damit brüstete, 2003 würde das Defizit auf 15,5 Milliarden Euro zurück geschraubt, auf den niedrigsten Wert seit der Wiedervereinigung. Die CDU, die solche Prognosen als Lesung aus dem Traumbuch deutete, konnte sich anhören, sie habe sich dem süßen Gift des Schuldenmachens verschrieben. O-Ton von Finanzminister Hans Eichel vor den Bundestags-Wahlen: "Wir sind auf einem gesicherten Wachstumspfad" - ein schon damals durch nichts begründeter Optimismus.

Szenenwechsel zu einer Faktenkosmetik in England: Toni Blairs Ex-Außenminister Robin Cook veröffentlichte vor zehn Tagen Auszüge aus seinen Memoiren in der Sunday Times. Darin die Aussage: Blair habe zwei Wochen vor Beginn des Irak-Krieges im März in einem privaten Gespräch zugegeben, der Irak besize keine kurzfristig einsetzbaren Massenvernichtungswaffen.

Drittes Aperçu in Sachen Wahrheit in der Politik: In seiner Rede an die Nation im Jänner 2003 erklärte US-Präsident George W. Bush, Geheimdienst-Informationen zufolgen habe sich Saddam Hussein beträchtliche Mengen Uran aus Afrika beschaffen wollen. "Tödliches Chaos" drohe in der Region. Mittlerweile ist klar: Weder gab es Uran-Importe in den Irak, noch waren dort chemische und bakteriologische Massenvernichtungswaffen gehortet. Fünf Monate intensiver, aber vergeblicher Suche nach diesen Hauptmotiven für den Irak-Krieg sind der Beleg dafür.

Zugegeben: Fehleinschätzungen und Irreführungen hat es in der Politik immer gegeben. Aber dass man sie so locker wegsteckt, wie dies derzeit geschieht, sollte zu denken geben. Es handelt sich ja nicht um geringfügige Pannen auf Nebengleisen. Einen Krieg gegen den erklärten Willen der internationalen Gemeinschaft und unter Missachtung des Völkerrechts los zu treten, ist alles andere als eine Kleinigkeit. Und den Wähler vor der Wahl mit falschen Informationen aus offiziellen Quellen irre zu führen, untergräbt die Basis der Demokratie.

Wie funktionstüchtig ist diese noch, wenn die überwiegende Mehrzahl der Bürger solche Fehlleistungen achselzuckend zur Kenntnis nimmt und zur Tagesordnung übergeht? Ein paar bissige Bemerkungen da und dort mag es geben, routinemäßige Aufforderungen zum Rücktritt durch die Opposition, einige kritische Kommentare in den Medien. Das war's dann auch schon. Niemand denkt an Rücktritt. Nach dem Labour-Parteitag steht Tony Blair sogar als strahlender Held da, Eichel gebärdet sich als großer Reformer und Tom DeLay, Fraktionsführer der Republikaner im US-Kongress,rechtfertigt das Handeln Bushs: Der Kampf gegen den Terror sei etwas völlig Neues, da könnten hie und da schon auch mal Fehler passieren.

Und das Kalkül des Durchsitzens geht auf: Bei der nächsten Wahl ist alles vergessen. Dafür sorgen weitere Skandale, Fußball- oder Baseball-Triumphe und Niederlagen, ein bisschen Starmania, unzählige Talkshows und viele andere, bewegende Fragen, die den Menschen bis dahin in Atem halten.

christof.gaspari@furche.at

27. Aug. 1910: Agnes Ganxhe Bojaxhiu wird in Skopje geboren

1928: Eintritt in den Missionsorden Unserer Lieben Frau von Loreto, Umzug nach Dublin, im Dezember nach Indien

1929: Noviziat in Darjeeling, Ordensname Teresa nach

Thérèse von Lisieux

1934: Ewige Gelübde, Erdkunde- und Geschichte- Lehrerin, Rektorin der High School der Loretoschwestern in Kalkutta

1946: will Orden verlassen, um für Arme zu arbeiten; Widerstand im Orden, Erzbischof Périer von Kalkutta unterstützt sie

1948: Ordensaustritt, Krankenpflegekurs in Patna

1949: erste Gefährtin für ihre neue Mission

1950: kirchliche Anerkennung ihrer Kongregation der "Missionarinnen der Nächstenliebe"

1952: 1. Haus für die Sterbende

1954: 1. Haus für Kinder

1956: 1. Dorf für Leprakranke

1963: Approbation der "Missionsbrüder der Nächstenliebe"

1964: Begegnung mit Papst Paul VI. in Bombay

1967-70: Häuser in Sri Lanka, Rom, Tansania, Australien

1971: Paul VI. überreicht ihr den "Friedenspreis Johannes XXIII."

1971: 1. Haus in New York

1979: Friedensnobelpreis

1980: höchster indischer Orden

1983: Herzschrittmacher

1985: 1. Haus in Wien

1988: Haus in Moskau/UdSSR

1991: 3 Häuser in Albanien, albanische Ehrensbürgerschaft

März 1997: Rücktritt als Oberin

5. September 1997: Mutter

Teresa stirbt in Kalkutta ofri

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