England gilt uns als Hort der Tradition wie der Schrulle. Manchmal gerät das eine Charakteristikum mit dem andern auch in Konflikt. So hat es bis zur jüngsten Jahrtausendwende gedauert, bis erstmals eine englische Schule Mädchen gestattete, Hosen statt Röcke als Teil ihrer Schuluniform zu tragen. Neuerdings ist man auf der Insel drauf und dran, diesen Fortschritt im Zeichen von Gleichberechtigung und Emanzipation wieder rückgängig zu machen -im Namen von Gleichberechtigung und Emanzipation: Seit Kurzem gilt in über vierzig britischen Schulen umgekehrt ein striktes Verbot, Röcke zu tragen. Begründet wird dies bei den einen mit der durch röcketragende Mädchen, die etwa auf dem Boden sitzen, verursachten "Peinlichkeit", bei den anderen mit der Rücksicht auf transgender people, die sich durch die abverlangte Entscheidung zwischen "männlichem" oder "weiblichem" Kleidungsstück nicht "marginalisiert" fühlen sollen. Der Hosenzwang für alle bedeutet eine versteckte Schuldzuweisung im Kontext hysterisch sexualisierter pädagogischer Interaktion: Wenn Mädchen Bein zeigen, ist es dann ein Wunder, wenn Schulmänner schwach werden? Und die Angst, jenes eine Prozent der Gesamtbevölkerung, das seine Geschlechtsidentität nicht mit seinem Körper zur Deckung zu bringen vermag, könnte sich als jene Randgruppe fühlen, die es ist, beraubt nun speziell Mädchen der spät errungenen Freiheit, ihr Selbstverständnis durch Kleidung auszudrücken. Ähnlich absurd zwingt heute das transgendersensible Unisex-Klo etwa in Schweden Frauen, den intimen stillen Ort mit Männern zu teilen.
Vielleicht aber ist der jüngste britische Spleen bloß Folge einer Schulordnung, die Buben auch im Hochsommer das Tragen kurzer Hosen verbietet. Daraufhin kamen etliche aus Protest in Röcken. Und das haben ihnen die Reglementierer jetzt glücklich vermasselt.
Die Autorin ist Germanistin und Literaturkritikerin
