Geniale Wortspielereien

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Unter den Dichtern gibt es Verbalakrobaten und Wortvirtuosen. Einer von ihnen, Fritz von Herzmanovsky-Orlando, ist vor 50 Jahren gestorben. Schon der Titel seines Bühnenstücks "Kaiser Joseph II. und die Bahnwärterstochter" ist als Anachronismus Anlass zum Schmunzeln. Das setzt sich im Personenverzeichnis mit der Obersthofmeisterin Gräfin Primitiva von Paradeyser und Streckenarbeitern mit den seltsamen Familiennamen Nebelkettinger, Mugelschupfer oder Trummruckinger fort. Ein weiterer Akteur Franz Teuxelsieder bekleidet die Funktion eines "Hilfsheizerstellvertretersanwärtersubstituten-gehilfen ohne Gebühren". Als sich seine Verlobte Innozentia ("die Unschuld") dem unerkannt reisenden Kaiser als frühere Analphabetin zu erkennen gibt, schwingt dabei fast Trauer über einen verlorenen Stand mit: "Aber dös schöne Wort zu sein, is auch schön! ´s klingt so vornehm ... An-al-pha-betin ... man is doch dann wer ...fast wie a Baronin." Apropos Aristokratie: Die Ehrfurcht vor deren Status bewegt einen Subalternen zur skurrilen Äußerung: "Baronin noch immer ohnmächtig? Kommen Baron doch zu Baronin!" - statt wie ihm üblichen Sprachgebrauch "zu sich".

Einer, der quasi am Leitseil der Sprache dachte, war Johann Nestroy, dessen Stücke im beginnenden Theatersommer in Freilichtaufführungen zu genießen sein werden. Wenn Titus Feuerfuchs im "Talisman" ausruft "Der Zorn überweibt Sie", nimmt er spielerisch Auswüchse des feministischen Sprachgebrauchs vorweg (girlcott für boycott, herstory statt history). Und der Hausknecht Muffl beklagt in "Frühere Verhältnisse" seine Armut so: "O, es is ein bitteres Gefühl, wenn man oft so hungrig is, daß man vor Durst nicht weiß, wo man die Nacht schlafen soll!" Darauf lässt sich eigentlich nur mit einem weiteren Zitat erwidern: "Die edelste Nation unter allen Nationen ist die Resignation."

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