Gerecht, wahrhaftig, solidarisch

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Was ist heilig? Was ist tabu?

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Was ist heilig? Was ist tabu?

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"W er darf hinaufziehn zum Berg des Herrn, wer darf stehen an seiner heiligen Stätte? Der reine Hände hat und ein lauteres Herz, der nicht betrügt und keinen Meineid schwört …"

Für den Psalm 24 bleibt die Frage, was heilig ist, nicht lange abstrakt. Heilig ist Gott und alles in Verbindung mit ihm. Diese Heiligkeit Gottes fordert aber keineswegs bloß ehrfürchtige Distanz und die Errichtung heiliger Bezirke und Vorschriften für kultische Reinheit rund um ihn.

Sie ist eine Anfrage an den, der Gott gegenübertritt und verehren will, inwieweit das Herz lauter ist und die Hände rein sind, und zwar in dem Sinn, dass Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit Leben und Handeln leiten.

Wie ein roter Faden zieht sich dieser Gedanke durch die Predigt der Propheten Israels, die auch vor scharfer Kritik an einem veräußerlichten Tempelkult nicht zurückscheut.

Auch dass sich das von Jesus zitierte Nächstenliebegebot mitten im biblischen Buch Levitikus findet, das sich zentral mit der kultischen Reinheit beschäftigt, weist in dieselbe Richtung. Für wen Gott heilig ist, dem muss heilig sein, was Gott heilig ist: Gerechtigkeit, Wahrhaftigkeit und Solidarität mit den Armen.

Die Botschaft des Zweiten Bundes, des "Neuen Testaments", spitzt den Gedanke noch zu: Wenn der heilige Gott zuinnerst Liebe ist, dann ist es die Liebe, welche die entscheidende Verehrung seiner Heiligkeit darstellt.

Oder im Umkehrschluss: Abwesenheit von Liebe macht jeden - auch noch so ehrfürchtigen - Gottesdienst zur Blasphemie. Jesu zentraler Gottesdienst ist die Hingabe für das Heil der Menschen. Sie entspricht der Heiligkeit Gottes.

Tabu sind demzufolge Würde und Grundrechte jedes Menschen.

* Der Autor ist Pfarrer in Probstdorf/NÖ und Universitätsseelsorger in Wien

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