Gerechtigkeit, nicht Rache!

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Sie mahlen langsam und häufig vergebens, die Mühlen der irdischen Gerechtigkeit. Doch der frühere Präsident Jugoslawiens, Slobodan Milosevic, dürfte ihnen nun nicht mehr entgehen. Er wird sich vor dem Kriegsverbrecher-Tribunal in Den Haag verantworten müssen.

Die Auslieferung von Milosevic hat einen schalen Beigeschmack: Denn für die Machthaber in Belgrad bedeutet sie westliche Finanzhilfen, die sonst ausbleiben würden. Der Tauschhandel könnte Dolchstoßlegenden nähren, doch jüngst entdeckte Massengräber müssten auch die meisten Serben überzeugen, dass das Milosevic-Regime keine Heldentaten, sondern abscheuliche Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen begangen hat.

Natürlich macht es die Opfer nicht mehr lebendig, wenn man Leute wie Milosevic, Pinochet oder Honecker und deren Schergen vor Gericht stellt und verurteilt. Natürlich stehen Schuld und Sühne allem Anschein nach oft in keinem Verhältnis. Dennoch ist ein faires Gerichtsverfahren die einzig richtige Vorgangsweise einer humanen, nach rechtsstaatlichen Prinzipien funktionierenden Gesellschaft.

Das Schlimmste sind selbsternannte Rächer, die in den Kategorien Blutrache, Lynchjustiz und Vergeltungsschläge denken. Für sie gilt noch: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben um Leben. Die "Ehre" der Familie, des Clans, der Nation nehmen sie so wichtig, dass jede Attacke darauf mit gleicher Münze zurückgezahlt werden muss. So aber ist der Kreislauf der Gewalt nie zu stoppen, sondern die Spirale dreht sich ständig weiter. Ob Palästina, Nordirland, Kosovo, Ruanda - Beispiele dafür gibt es leider zahllose auf der ganzen Erde.

Und der Ruf nach Vergeltung erschallt auch im individuellen Bereich: In England hat die Familie jenes zweijährigen James Bulger, der 1993 von zwei damals Zehnjährigen brutal ermordet wurde, den jüngst entlassenen Tätern Rache geschworen. Einzelne Medien finden nichts dabei, den Aufenthaltsort der mit neuer Identität ausgestatteten Burschen zu veröffentlichen. Sie betreiben damit ein gefährliches Spiel mit dem Feuer, das nicht der Gerechtigkeit, sondern der Rache dient.

E-Mail: h.boberski@styria.com

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