Gerhard Zeiler: Endlich die Ziele der ORF-Reform 1966 ernstnehmen

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Mit Jahresende 1998 wechselt ORF-Generalintendant Zeiler zu RTL nach Deutschland. Ein Gespräch über ORF, RTL, Gehälter und Journalismus ...

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Mit Jahresende 1998 wechselt ORF-Generalintendant Zeiler zu RTL nach Deutschland. Ein Gespräch über ORF, RTL, Gehälter und Journalismus ...

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DIE FURCHE: Sie haben Ihre Nicht-Wiederkandidatur im ORF damit begründet, daß Sie knapp ein Drittel der Eigentümer - des Kuratoriums - nicht gewollt habe. Sie haben, sagten Sie, das Gefühl, bei RTL zu 100 Prozent gewollt zu werden. Mir kommt das etwas larmoyant vor.

Gerhard Zeiler: Larmoyant gefällt mir nicht ...

DIE FURCHE: ... Weinerlich ...

Zeiler: Auch dieses Wort gefällt mir nicht. Allerdings stimmt eines: Ich habe das Gefühl gehabt, daß man sich bei einem gewissen Teil der Mitglieder des Kuratoriums für den Erfolg genieren muß. Dazu kommt selbstverständlich, daß die Position eines RTL-Geschäftsführers eine phantastische Herausforderung ist, die abzulehnen mir in jedem Fall schwer gefallen wäre.

DIE FURCHE: Warum glauben Sie, daß sich die Begehrlichkeit der Parteien am Unternehmen ORF nach Ihrem Abgang ändern sollte?

Zeiler: Begehrlichkeiten kann man für alles haben. Aber die Vernunft sagt mir, daß man nicht jeder Begehrlichkeit nachgeben soll. Daß jede Partei die Begehrlichkeit hat, mehr und besser vorzukommen, das stört uns überhaupt nicht. Das Wollen ist nicht entscheidend, die Taten sind das Entscheidende. Es würde knapp vor dem Jahr 2000 Sinn machen, wenn man die Ziele der Volksbegehrensreform 1966 ernstnehmen würde, mehr als 30 Jahre danach.

DIE FURCHE: Sehen Sie einen Unterschied in der Qualität oder in der Berufsauffassung der Journalisten zwischen Deutschland und Österreich?

Zeiler: Nein, überhaupt nicht. Was ich sehe ist, daß in einem größeren Land die Anzahl der Redakteure, die für ein Magazin arbeiten, meistens größer ist und daher die Sorgfältigkeit im Zweifelsfalle besser gegeben ist als in einem Land wie dem unsrigen, wo man personell oft nur mit Wasser kochen kann. Die News-Produkte, egal ob im Fernsehen oder in den Printmagazinen, können sich einfach mehr leisten, noch eine weitere Stufe der Recherche zu tätigen. Aber das ist eher ein Kriterium des Marktes als ein Parameter der Qualität des Journalismus.

DIE FURCHE: Sie meinten außerdem einmal, daß die Österreicher im Ton freundlicher, höflicher sein sollten als es etwa die Deutschen sind.

Zeiler: Ich will das gar nicht nur auf Österreich und Deutschland beziehen. Das ist eine Grundeinstellung. Ich bin der Meinung, die Verbindlichkeit im Ton ist Voraussetzung dafür, daß die Botschaft auch ankommt. Oder anders formuliert: Ich glaube nicht, daß die Menschen wollen, daß sich Journalisten manchmal - ich sage jetzt bewußt ein Wort, das man mißverstehen wird und das ich daher bitte, unter Anführungszeichen zu setzen - wie "Rotzbuben" benehmen. Höflichkeit gehört dazu. Ich sehe das diesbezügliche Vorbild in den Vereinigten Staaten. Auch beim schärfsten Interview sagt man immer "By all means Mr. President". Auch in der Titelbezeichnung, der Höflichkeitsformulierung wird der Respekt vor der Person des oder der zu Interviewenden gezeigt. Andernfalls überlagert die Stilfrage die Inhaltsfrage.

DIE FURCHE: Was erwarten Sie von Ihrem Vorgänger bei RTL und künftigen Beirats-Vorsitzenden Helmut Thoma?

Zeiler: Es ist eine Tatsache, daß ich mich schon freue, wenn ich mit ihm zusammenarbeiten kann.

DIE FURCHE: Woher und wie lange kennen Sie RTL-Informationsdirektor Hans Mahr?

Zeiler: Hans Mahr kenne ich schon seit Ende der siebziger Jahre, als er innenpolitischer Chef der Kronen Zeitung war. Er war schon damals ein "Hans Dampf in allen Gassen". Wir sind wirklich gut befreundet.

DIE FURCHE: Mit Zeiler, Thoma, Mahr, Andorfer, Pusch und Tillmann Fuchs sitzen im engsten RTL-Bereich Österreicher. Muß den Deutschen nicht langsam angst und bang um ihre Jobs werden?

Zeiler: Nein, das ist immer so eine Übertreibung. Ich glaube, von den rund 900 Beschäftigten von RTL sind vielleicht zehn oder zwölf Österreicher. Also das ist in Zeiten eines Vereinigten Europa nicht gerade viel.

DIE FURCHE: Wieviel werden Sie in Deutschland verdienen?

Zeiler: Mehr als bisher und so viel, daß ich meine Familie redlich ernähren kann.

DIE FURCHE: Mit dem Dreifachen des österreichischen Gehalts müßte es schon gehen.

Zeiler: Also mein Gott. Da sind so viele zum Teil auch falsche Zahlen im Spiel. Ich bitte um Verständnis, daß ich darauf nicht antworte. Ich verdiene mehr, als die Neid-Schwelle in Österreich zuläßt.

DIE FURCHE: Werden Sie gewinnbeteiligt sein?

Zeiler: Es ist in der Privatwirtschaft üblich, Gehaltsbestandteile in leistungsabhängigen Parametern zu formulieren. Auch mein Vertrag hat leistungsabhängige Bestandteile.

DIE FURCHE: Manche Väter bedauern viel zu spät, daß ihre Kinder groß geworden sind, ohne daß sie das wirklich mitgekriegt haben. Sie wollen jetzt noch mehr arbeiten, die nächsten fünf Monate im ORF, dann natürlich auch beim Start in Deutschland. Wächst Ihr Kind ohne Vater auf?

Zeiler: Meine Tochter Nina wächst mit ihrem Vater auf. Das habe ich erst heute um sechs Uhr früh wieder erfahren, wie ich ihr eine halbe Stunde aus Kinderbüchern vorgelesen habe. Das ist alleine schon aus Patriotismus notwendig, damit meine Tochter nicht nur der englischen Sprache mächtig ist, sondern auch der deutschen, denn meine Frau spricht mit ihr Englisch. Insbesondere am Wochenende und im Urlaub hat meine Tochter sehr viel von mir, und das lasse ich mir auch nicht entgehen. Dazu bin ich zu egoistisch. Ich werde mit Sicherheit nicht zu jenen Vätern gehören, die, wenn das 16- oder 18jährige Mädchen einmal außer Haus geht, sagen, hätte ich doch was anderes gemacht.

Das Gespräch führte Gerald Freihofner.

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