Gerüche und Gerüchte

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Den Anlass zu dieser Glosse lieferte eine naive Frage im alltäglichen Gespräch. Es war darin vom Geruchssinn und der Wendung "jemanden nicht riechen können" die Rede. Die geläufige Phrase zielt ja bekanntlich nicht auf Defizite der Wahrnehmung ab. Ganz im Gegenteil: sie verweist sogar auf eine sensible Nase und einen "guten Riecher" für menschliche Untugenden. Dass uns angenehme Gerüche positiv stimulieren, macht die Parfumbranche erfinderisch und erfolgreiche Produkte zu Verkaufsschlagern.

Aber die Rückführung von Sympathie und Abrechnung auf eine sinnliche Erfahrung lässt sich schon im Altertum sprachlich belegen. Lateinisch odium bedeutet "Hass": Wenn Nestroys "vermischter Warenhändler" über "nichts als Odiosa" klagt, so meint er damit widrige Umstände oder mit des Dichters eigenen Worten "Unwesen im Hauswesen". Odor hingegen, auch im Deodorant enthalten, bezeichnet den Geruch oder gar den Duft. Im Verbum odi - formal ein Perfekt, semantisch ein Präsens - treffen sich die beiden Sinnbezirke. Denn "Hassen" bedeutet eigentlich, etwas im Übermaß gerochen und daher die Nase davon voll haben. Die lästige Wahrnehmung führt also zur persönlichen Antipathie.

Wer im Geruch eines Angebers steht, dessen notorische Prahlerei stinkt quasi zum Himmel. Nichts mit Geruch zu tun hat dagegen das Gerücht - trotz der lautlichen Nähe, die zur Volksetymologie verleitet. Als verbales Ereignis gehört Gerücht vielmehr zu rufen. Das Wort bezeichnete zunächst die laute Empörung über eine, schreiende' Untat, ehe es zum unverbindlichen Gerede verflachte. Die niederdeutsche Herkunft erklärt den phonetischen Übergang von ft zu cht: sacht neben sanft oder Schacht gegenüber Schaft geben dafür ebenso beredtes Zeugnis wie die Grachten in Amsterdam, die ja zu graben und damit letztlich zu Gruft gehören: womit wir sprachlich gleichsam beim, jüngsten Gerücht' angelangt wären.

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