Geschichte kompakt - 90 Jahre in sechs Etappen

Werbung
Werbung
Werbung

Bis zum heutigen Frieden und Wohlstand hat Österreich einen harten Weg hinter sich. Die Schau "Republik.Ausstellung 19182008" im Parlament ist ein doppeltes Lehrstück.

Bundespräsident Heinz Fischer hat Recht, wenn er im Sammelband "Österreich. 90 Jahre Republik" schreibt: "Sowohl die positiven Errungenschaften, die letztlich zu der eindrucksvollen Entwicklung der Zweiten Republik führten, wie auch die bitteren Erfahrungen (Wirtschaftskrise, Justizpalastbrand bis hin zum Bürgerkrieg) sind heute noch wirksam oder lebendig." Worin diese Geschichte der 90 Jahre alt gewordenen demokratischen Republik Österreich besteht, zeigt die vom Bundeskanzleramt initiierte und vom Bundespressedienst kuratierte Ausstellung "Republik.Ausstellung 19182008" im Parlament in Wien, die außerordentlich gut besucht und noch bis 11. April zugänglich ist.

Österreich hat sich mit einer gemeinsamen Geschichtschreibung immer etwas schwergetan. Zu gewaltig sind die Brüche, welche Staat und Gesellschaft erschüttert haben, zu krass sind die politischen Gegensätze, zu tief die historischen Gräben zwischen den politischen Lagern, namentlich jenen der Ersten Republik. Doch genau damit, mit dieser doppelten Herausforderung, kommt die unter der wissenschaftlichen Leitung von Stefan Karner (Sozialhistoriker an der Universität Graz) und Lorenz Mikoletzky (Generaldirektor des Staatsarchivs) geschaffene Ausstellung gut zurecht: Die Eckdaten, die historischen Ereignisse werden knapp und präzise dargestellt, "Geschichte kompakt" sozusagen. Zugleich wird auf die in früheren Jahren schon bis zum Überdruss abgehandelten Schuldzuweisungen verzichtet. So werden die Jahre unter Bundeskanzler Engelbert Dollfuß klar als Diktatur bezeichnet und die Verfolgung der Sozialisten benannt, aber der Titel Austrofaschismus unterbleibt, womit früher Dollfuß in die Nähe von Hitler und Mussolini gerückt worden war. Andererseits unterlässt es die Schau richtigerweise, die Tumulte vor dem Parlament am 12. November 1918 so darzustellen, als stünde die erst wenige Tage alte Republik Deutsch-Österreich vor dem unheilvollen Wandel in eine Räterepublik.

Umfassendes Angebot zum Gedenkjahr

Die Ausstellung in der Säulenhalle des Parlaments wird gleichermaßen von Erwachsenen wie von Jugendlichen, überwiegend von Schülern unter Anleitung ihrer Lehrer besucht. Unterrichtsmaterialien sind Teil des umfassenden Angebots zum Gedenkjahr 2008. Unter www.dorner-verlag.at finden sich Arbeitsblätter zur Ausstellung für Schüler, gegliedert nach Themen und nach Schulstufen. Und die Jugendlichen zeigen sich, konfrontiert mit der Geschichte, beeindruckt.

Die Paten an der Wiege der Ersten Republik im November 1918 waren, man kann gar nicht oft genug daran erinnert werden, ein gegensätzliches Paar: einerseits die Freude vieler über die nun einziehende Demokratie und die Erlangung des bis dahin den Frauen vorenthaltenen Wahlrechts, andererseits die Trauer mancher über das untergegangene kaiserliche Reich. In dieser Zerrissenheit entstand, bald begleitet von enormen wirtschaftlichen Krisen, die junge Republik Österreich. Die Ausstellung dokumentiert nicht nur in Zahlen die großen Opferbilanzen der Weltkriege und des 20. Jahrhunderts, sondern macht den historischen Sündenfall Österreichs an Einzelschicksalen deutlich. Etwa jenem des Rechtsgelehrten Hans Kelsen, der sein Heimatland Österreich, an dessen erster demokratischen Verfassung er Jahre zuvor noch entscheidend mitgewirkt hatte, wegen des aggressiven Antisemitismus verlassen musste.

Österreich. 90 Jahre Republik

Stefan Karner - Lorenz Mikoletztky (Hg.) Studienverlag 2008, 636 S., geb., e 29,90

Zur Ausstellung erschien ein mit 636 Seiten umfangreicher, von Karner und Mikoletzky herausgegebener sowie von Manfred Zollinger (Sozialhistoriker an der Universität Wien) redigierter Beitragsband, der die Geschichte der Republik außerordentlich detailliert aufarbeitet. Ausstellung und Band verbindet dasselbe Verdienst: die Geschichte unserer Republik wissenschaftlich zu dokumentieren, deren Ausgangspunkt 1918 nach Ablauf von drei Generationen nur mehr sehr wenige selbst erlebt haben und zu dem die Mehrheit der Österreicher auch kaum mehr mittelbaren persönlichen Zugang hat. Vielleicht erklärt dies zugleich den starken Andrang von rund 800 Besuchern täglich.

Parlament, Zentrum der Demokratie

In den Gründungstagen der Ersten Republik löste das Parlament den Reichsrat ab und wurde zum Zentrum und zur Arena der Politik. Heute ist uns der Parlamentarismus so geläufig, dass wir über dessen Einzelheiten kaum mehr Bescheid wissen. Genau an diesem Punkt knüpft das neu erschienene Buch "Und was macht eigentlich das Parlament?" von Christoph Konrath an.

Der junge, in Wien und in London ausgebildete Jurist, selbst im Dienst des Parlaments tätig, erläutert darin, wer im Hohen Haus was und wer worüber entscheidet. Demokratie und Parlamentarismus seien, so Konrath, nichts Selbstverständliches. Seine Darstellung der Demokratie und des Parlamentarismus übersehe nicht, dass die beiden in der Realität nicht perfekt seien, ja, dass es sogar Unzulänglichkeiten in der Wirklichkeit von Politik, Parlament und Regierungen gebe. Damit dürfe man sich aber nicht zufriedengeben, man müsse vielmehr stets die Ansprüche an die Einrichtungen eines demokratischen Staates formulieren. Das stimmt. Auch 90 Jahre nach der Ausrufung der demokratischen Republik Österreich. (cr)

Und was macht eigentlich das Parlament?

Von Christoph Konrath

Czernin Verlag 2008, 117 S., geb., e 14,90

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung