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100. Geburtstag von Erik Schmedes

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VON DEN GROSSEN SÄNGERN der Mahler-Ära ist keiner so zum Mythos geworden wie Erik Schmedes. Für seine Zeitgenossen war er der jugendlichstrahlende Held, der Wagner-Tenor. — Aber das wurde er erst, und zwar im Alter von 30 Jahren Erik Schmedes entstammt einer wohlhabenden Kopenhagener Familie. Mütterlicherseits waren alle Vorfahren seit der Mitte des 17. Jahrhunderts Musiker: Stadtmusicl, Geiger oder Sauger. Seine Großmutter war die erste dänische Kammersängerin, sein Onkel der berühmteste Bariton seiner Zeit. Als Spielbariton begann auch Erik Schmedes, und zwar in Wiesbaden, nachdem er mit 19 Jahren nach Berlin gegangen war, um dort zunächst Klavier zu studieren. Darnach war er zwei Jahre in Nürnberg und drei Jahre in Dresden als Bariton tätig. 1898 wurde das Schicksalsjahr. Gustav Mahler hatte etwas von einem vielversprechenden Sänger gehört, dem Pollini, der Hamburger Opemdirektor und Manager, angeboten hatte, ein einjähriges Umschulungsstudium (von Bariton auf Tenor — denn die Stimme von Schmedes hatte sich während seiner Dresdener Zeit verändert) zu bezahlen. Schmedes ging nicht mehr nach Dresden zurück, sondern folgte dem Ruf Mahlers nach Wien.

SEITHER BLIEB SCHMEDES, bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1924, Mitglied der Wiener Hofoper. Unter Mahlers Direktion und persönlicher Führung erarbeitete sich Schmedes ein Repertoire von mehr als 30 Partien, darunter sowohl sehr berühmte als auch verschollene. Im Mittelpunkt standen die Gestalten Wagners, für deren Verkörperung der blonde Riese, der seine Kollegen um einen Kopf überragte, auch physisch prädisponiert war. — Unter Mahlers Leitung gab es an der Hofoper wiederholt Wagner-Zyklen, so daß Schmedes oft jeden zweiten Abend auf der Bühne stand. — Unter der Direktion Felix von Weingartners sang Erik Schmedes in einer Saison 83 Abende. Absagen gab es in der Regel keine, • und als er einmal infolge einer Nervenkrise pausieren mußte, wurden ihm die ausgefallenen Abende von der Gage abgezogen. So war das damals. Und als Schmedes in Pension geschickt wurde, stand er als Ausländer (er war dänischer Staatsbürger geblieben) ohne jede Versorgung da und mußte um eine Gnadenpension an&uchen, obwohl er, nach fünf Jahren unter Mahler, den Titel eines Kammersängers erhalten hatte und Ehrenmitglied der Wiener Oper war. — Um so rührender war der Abschied, den ihm das Publikum der Oper anläßlich seines letzten Auftretens im „Evangelimann“ bereitete. Und der Staat steuerte eine Ehrennische im Krematorium bei; jetzt ruht seine Asche im Familiengrab in Kopenhagen. (Schmedes war am 31. 3. 1931 gestorben.)

MAHLER HAT SCHMEDES HOCHGESCHÄTZT, denn er fand in ihm, wenn auch völlig anders ausgeprägt, die gleiche unbedingte Liebe zur Musik und zum Theater; das Publikum hat ihn vergöttert, und sein internationaler Rang ist durch Gastspiele beglaubigt: in Bayreuth, wo er Parsifal, Jung- Siegfried und Siegmund gesungen hat, an der Met, wo er unter Toscanini und Mahler in „Tristan“ und in der „Götterdämmerung“ sowie unter Bodansky in „Tiefland“ auftrat, in vielen Städten Deutschlands, in Paris, wo er Siegfried in französischer Sprache sang, sowie auf Tourneen nach London und Konstantinopel (1915 und 1917).

SCHMEDES WAR UND BLIEB ALS MENSCH stets der ein wenig naive, vertrauensselige Nordländer, der, obwohl vom Wiener Publikum aller Schichten verwöhnt wie kaum ein anderer seiner Kollegen, in dieser Stadt vielleicht doch immer ein wenig fremd war — so sehr er sie geliebt hat. Er liebte seinen Beruf und auch die Arbeit — aber er wußte sie nicht auszunützen. Zum Geld hatte er nie ein reelles Verhältnis. Die Inflation traf ihn schwer — aber er wäre auch ohne sie kein reicher Mann geworden Die reine Flamme

ZUM SCHLUSS ETWAS HEITERES, das uns die in Wien als Musikpädagogin tätige Tochter von Erik Schmedes erzählt hat: In seinen ersten Wiener Jahren benutzte Schmedes gern ein Fahrrad. Mahler verbot es wegen Erkältungsgefahr. Dann kamen, nacheinander, ein Reitpferd und ein Motorrad. Mahler, der auch davon Wind bekommen hatte, verbot beides. Darnach schaffte sich Schmedes ein Auto an, das er sich mit den an der Met verdienten Dollars gekauft hatte, und führ damit stolz im Prater und in der Krieau herum. Aber damals (1907) war Mahler schon nicht mehr im Amt. Als Schmedes einmal im Prater Mahler traf und diesen freudig begrüßte, wurde er eisig wiedergegrüßt. Zu seiner ihn begleitenden Frau Alma sagte Mahler darnach höchst verärgert: „Dieser Schmedes — nie wird er ein Geld haben. Anstatt zu sparen, kauft er sich einen Wagen. Man sieht, ich bin nicht mehr sein Direktor!"

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