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3000 Jahre Heilige Stadt

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Im ersten Aufsatz dieser Reihe (vgl. „Furche“ Nr. 50/1963) wurde erwähnt, daß der Name „urusalim“ schon in den Amarnabriefen nachweisbar ist; diese in babylonischer Keilschrift beschriebenen Tontafeln enthalten meist Hilferufe der • von Ägypten abhängigen Stadtstaaten Kanaans, die um die Mitte des 14. vorchristlichen Jahrhunderts von Nordosten her bedroht wurden; ihr ägyptischer Schirmherr Echnaton (Amenophis IV.) interessierte sich jedoch mehr für religiöse und philosophische Probleme als für die Verteidigung des Vorfeldes von Ägypten.

Die um 1200 v. Chr. unter Josue, dem Nachfolger des Moses, nach Kanaan zurückkehrenden Israeliten eroberten Stadt um Stadt, konnten aber die auf einem Felshügel angelegte Festung der Jebusiter nicht einnehmen; erst 200 Jahre später, um 1000 v. Chr., gelang dies dem König David, der zuvor noch einige Jahre in Hebron residiert hatte.

Seit damals, also seit fast 3000 Jahren, ist dieses Jerusalem die Heilige Stadt des auserwählten Volkes; inzwischen wurde es zu einer Heiligen Stadt auch für die Christen und Mohammedaner. David (1012—972) machte die Stadt zunächst nur zum politischen Zentrum, zur Hauptstadt seines Reiches, das nach vielen Kämpfen damals seine größte Ausdehnung erlangte. Solomon (972 bis 932) befriedete das Werk seines Vaters David durch Bündnisse und Heiraten. Er machte Jerusalem auch zum religiösen Mittelpunkt der zwölf Stämme; freilich kam es bald nach seinem Tode zur Teilung in Nord-und Südreich. Übertrieben hohe Steuern, gleichzeitiger Bau des nach ihm benannten Tempels und etlicher Götzentempel für seine heidnischen Nebenfrauen sowie große Verschwendungssucht machten Salomon beim Volke bald sehr unbeliebt; seine Vorliebe für Prunk am falschen Ort bezeugen noch jetzt die Uberreste der von ihm eingerichteten 450 Pferdeställe von Megiddo, die zum Teil mit Edelsteinen verziert waren, während man für die Pferde selbst Wasserbehälter aus Elfenbein aufgestellt hatte. Die Verschwendungssucht Salomons hatte ähnliche Folgen wie die Vorliebe mancher Renaissancepäpste für weltlichen Prunk: 931 v. Chr. spaltete sich das Nordreich Israel vom Südreich Juda ab, 1521 kam es zur Glaubensspaltung. Der Schutthügel von Megiddo besteht aus 19 Schichten, jede auf der zerstörten früheren Festung errichtet. Dieser kampfumtobte Hügel, der den Zugang zum fruchtbarsten Teil von Palästina, zur Jesreel-Ebene, bewacht, wird am 5. Jänner 1964 neuerdings ein geschichtliches Ereignis erleben, wenn der israelische Staatspräsident Zal-man Shazar am Fuß der Festung Salomons Papst Paul VI. begrüßen wird.

Der Salomonische Tempel stand von 950 bis 586 v. Chr. beherrschend im Zentrum von Jerusalem. Unter Nebukadnezar II., der dreimal gegen Jerusalem zu Felde gezogen war,wurde dieses Wahrzeichen der Heiligen Stadt ebenso eingeäschert wie fast alle Häuser; ein Großteil der Uberlebenden von Jerusalem wurde über 1200 km Wüstenpisten nach Babylon und Nippur ins Exil getrieben. Nachdem der Perserkönig Ky-ros d. Gr. den Juden 538 v. Chr. die Erlaubnis zur Rückkehr nach Jerusalem gegeben hatte, begann unter Zorobabel der Aufbau eines bescheidenen Heiligtums. Größere Bedeutung erlangte die Heilige Stadt erst wieder, als im Jahre 63 v. Chr. Pompeius auf den Tempelplatz einzog und sogar das Allerheiligste betrat. Nach mehreren Bürgerkriegen ernannte der römische Senat einen stolzen und grausamen Idumäer, Herodes den Großen, zum König von Judäa (37 v. Chr.).

Herodes der Große hatte einen Zug ins Maßlose: Gesinnungslos im politischen Bereich wechselte er in den Wirren der sterbenden römischen Republik von Antonius zu Oktavian über; im familiären Bereich war er hemmungslos und ließ fast alle seine Familienmitglieder umbringen, besonders jene, die ihm den Thron hätten streitig machen können; wie ein richtiger Diktator wollte er seinen Namen der Nachwelt auch durch seine Prunkbauten überliefern. Überreste seiner Bauwerke finden sich in ganz Palästina,auch in Jerusalem; einer der drei Türme des Herodespalastes (vgl. unser Bild) ist noch jetzt ein Wahrzeichen am höchsten Punkt der westlichen Altstadt, knapp an der Staatsgrenze. Der untere Teil des Turmes mit den mächtigen Quadern ist antik, der obere Teil wurde 1538 vom Sultan Soliman I. aus viel kleineren Steinen wieder ergänzt; Soliman I. war übrigens jener türkische Herrscher, der uns 1529 in Wien einen nicht ganz friedlichen Besuch abstatten wollte.

Das berühmteste Bauwerk Herodes des Großen, das er im 18. Jahr seiner Regierung (= 19 v. Chr.) beginnen ließ, war der neue Tempel, denn in der Vorhalle dieses herodia-nischen Tempels predigte Jesus Christus. Der gesamte Tempel war nach 83jähriger Bauzeit erst im Jahre 64 n. Chr. fertig, erhielt sich aber nur sechs Jahre: Ein übereifriger römischer Soldat warf im Jahre 70 n. Chr., während der Belagerung von Jerusalem, gegen den ausdrücklichen Befehl des späteren Kaisers Titus eine Brandfackel in den Tempel, der nicht mehr zu retten war. Heute erhebt sich an jener Stelle, wo einstens der Tempel Salomons, dann das Heiligtum des Zorobabel und schließlich der herodiani-sche Tempel standen, der Felsendom (auch Omarmoschee genannt), neben der Grabeskirche der beherrschende, weithin sichtbare Bau des heutigen Jerusalem.

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