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800 Jahre Stift Wilhering

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„Tragt es nicht hart, liebe Brüder, wenn ich so oft und so lange von euch fort bin. Wenn ihr um die Gründe wißt, werdet ihr mehr mit mir leiden, als mir zürnen. Gerne bliebe ich, das wäre mein Wille. Doch die Sorge um die Kirche und ihre Nöten rufen mich fort...“ So tröstete Bernhard von Clairvaux seine Mitbrüder, als er einmal heimkehrte von einer seiner weiten Fahrten mit der Kreuzzugfahne. Der Ruf Bernhards drang auch bis ins Donautal. Die Herren von Wilhering und Waxenberg, Ulrich und Cholo, hörten ihn und folgten ihm. Zuvor aber gaben sie ihren Besitz zu Wilhering dem Zisterzienserorden und der Abt von Rain sandte die ersten Mönche. 1146 war die Gründung vollzogen. Der 30. September galt seit je als der Gründungstag.

Zwölf Mönche und ein Abt an der Spitze und einige Brüder, so war es Brauch im Orden für eine Neugründung. Gebhard, dem ersten Abt von Wilhering und seinen Nachfolgern gelang es nun mit viel Mühe und großen Opfern, die Niederlassung lebensfähig zu gestalten. Erst als Ebrach 1185 die Pater-nitätsrechte übernahm und die Bamberger Bischöfe den Schutz des Klosters, kamen Jahre des Aufstieges. Abt Otto II. von Niest konnte 1195 zum Bau einer großen Klosterkirche und zur Errichtung eines Konventgebäudes schreiten. Das Portal dieser romanischen Pfeilerbasilika, die nach dem Vorbild von Fontenay angelegt war, ist noch erhalten und bildet auch heute den Haupteingang der Stiftskirche. Fast 60 Jahre dauerte der Bau; am 18. Oktober 1254 konnten die Bischöfe Otto von Passau und Heinrich von Bamberg die Kirchweihe vollziehen.

Für die kirchlichen Verhältnisse jenes Zeitalters ist charakteristisch, daß die Pfarre Gramastetten, die unter Abt Conrad II. vom Stifte übernommen wurde, 1241 von der Donau bis an den böhmischen Wald reichte. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden aber doch schon die Pfarreien Zwettl (1264) und Leorrfdden (1292) aus diesem riesigen Pfarrgebiet losgelöst und selbständig gemacht. Das zu Wilhering aufblühende monastische Leben setzte den Abt Ernst instand, den Wunsch des Wok von Rosenberg zu erfüllen und eine neue Gründung, Stift Hohenfurth, mit Mönchen zu beschicken. Am 28. Mai 1260 wurde der Stiftsbrief ausgefertigt. Bereits wenige Jahrzehnte später konnte Abt Conrad III. kn Jahre 1295 eine neue Abtei besiedeln: zwölf Mönche und Abt Berthold zogen nach Engelszell, das Bischof Bernhard von Passau für eine Zisterze gewidmet hatte. Und abermals erfolgte von Wilhering ans eine Klostergründung. Ab Eberhard von Wallsee seinen Besitz zu Säusenstein für ein Kloster stiftete, entsandte Abt Hermann von Wilhering die Mönche dafür und übernahm die Rechte und Pflichten der Paternität (1394).

Die Zeit der Glaubensspaltungen zerstörte sehr viel von dem, was in vier Jahrhunderten hier geschaffen worden war. Doch immer wieder fanden sich tatkräftige Äbte, die das Stift aus den Wirrnissen herausführten und in seinem Bereiche den religiösen Frieden wieder herstellten. Aber der angerichtete Schaden war groß und es bedurfte der reformatorischen Kraft des Abtes Alexander a Lacu (1587 bis 1600), das Haus wieder ganz der monastischen Ordnung zurückzugeben. Er wurde berufen, sein Wirken in Kremsmünster fortzusetzen, wo er bis 1613 regierte. Tüchtige Nachfolger setzten sein Werk fort. Es war ein Verlust für Wilhering, daß der treffliche Anton Wolfradt (1612 bis 1613) bald eine Berufung nach Kremsmünster erhielt. 1631 wurde er zum Fürstbischof von Wien erhoben, behielt aber die Abtwürde ob Kremsmünster bis im seinem 1639 rfolgten Tode bei. Was Wolfradt für Wilhering nidit werden konnte, das wurde sein Nachfolger Abt Georg II. „Der sollte“, so schreibt Propst Jodok Stülz in seiner „Geschichte des Zisterzienserkloster Wilhering“ (1840), „ein Zeugnis werden, was ein einziger Mann zu wirken vermag, dem es weder an Einsicht, noch an einem kräftigen Willen gebricht; sein Kloster sollte durch ihn die Lehre erhalten, daß oft gerade in den Zeiten der höchsten Not der Retter erscheine, damit man nie den Glauben und den Mut hoffnungslos möge sinken lassen“. Als am 12. Oktober 1638 Abt Georg II. starb, schloß ein Leben, das reich an Arbeit, Mühe und Sorge um den Wiederaufbau des Stiftes gewesen war. Für den geistigen Aufbau hatte der Abt durch Entsendung der Kleriker an die damals blühenden theologischen Fakultäten von Salzburg und Passau und an die weitberühmte Universität Ingolstadt gesorgt, das Stiftsgebäude erneuert und erweitert, die Kirche mit neuen Altären und Orgel ausgestattet und auch die wirtschaftliche Lage des Stiftes erheblich gestärkt; manches verpfändete Gut war wieder eingelöst worden. Dieser Abt hatte auch die Sorge des Bauernkrieges zu tragen. 1626 bedrängten die Aufständischen das Kloster so sehr, daß der Konvent sein Heil in der Flucht suchen mußte. Durch all diese Fäbr-lichkeiten lenkte der tapfere Abt das Stift mit sicherer Hand. Als er die Augen schloß, konnte er als die Frucht seiner Lebensarbeit Blüte und Wohlstand des wohlgeordneten Stiftes hinterlassen. War unter ihm die Last der langen Kriegsjahre spürbar gewesen, so wurde sie unter seinem Nachfolger, Abt Orlacher, drückend. Staatlidie Aufforderungen verschiedener Art, hohe Steuervorschreibungen und Anleihen mit schweren Zinslasten lösten einander ab; das Kirchensilber mußte abgeliefert werden, militärische Einquartierungen taten ein übriges, klösterliche Besitzungen wurden vom Feind geplündert und in Brand geworfen. Doch immer wieder wurde aufgebaut, was zerstört, immer wieder geordnet, was verwüstet war. Niemals fehlte es an Sorgen. Niemals aber auch an klug regierenden Männern. Da war in den Jahren 1670 bis 1680 ein Abt Malachias Braunmüller; auf seinem Bild greift eine Hand im Eisenschuh nach einem Igel. „In cunetis caute.“ „In allem vorsichtigT Er war es in diesen bewegten Zeiten. Dann ein Abt Bernhard IL, als Kara Mustapha vor Wien stand und der Türke weitum im Land war. Dann wieder schlugen die Wellen vom spanischen Erbfolgekrieg bis an die Klostertore von Wilhering. Froher wurde es wieder unter Abt Hilarius im zweiten und dritten Jahrzehnt des 18. Jahrhunderts. Stülz sagt von dieser Zeit: „Die Jahre der Regierung dieses Abtes gehören wohl zu den glücklichsten der Monardiie. Zwar kosteten die Kriege mit Franzosen und Türken Geld

— auch dem Stifte viel Geld! — des ungeachtet herrschte großer Wohlstand im Lande und die glorreichen Siege des Prinzen Eugen über den Erbfeind des christlichen Namens gaben dem Leben einen schönen Schwung.“ Abt Hilarius resignierte nach zwanzigjähriger Regierung. Und abermals befiel schweres Ungemach das Zisterzienserstift an der Donau. Alles, was aufgebaut worden in Mühe und Fleiß, sah Abt Bonus

— dieser gütige Mann trug nicht umsonst diesen Namen — in Schutt und Asche sinken. Am 6. März 1733, um die Mittagsstunde, war eine Feuersbrunst aufgeloht, der so ziemlich das ganze Stift zum Opfer fiel. Ein Jahr später starb Abt Bonus und seinem am 1. Juni 1734 erwählten Nachfolger Johannes Baptist IV. war nun die schwere Aufgabe anvertraut, auf der Brandstätte ein neues Wilhering erstehen zu lassen. Doch Hochwasser, Viehsterben, Hagelschlag und Krieg befielen mit ihren Nöten Wilhering. Mit eiserner Energie besiegte sein In feiträger Hie Schwierigkeiten. Und es gelang ihm. Der Aufbau des Stiftes, der Neubau der Kirche wurden sein Werk. Es war der Abschluß seines Lebenswerkes, daß ihm die Erwerbung des Kürnberg-Forstes aus kaiserlichem Besitz gelang. Zum schönsten Denkmal wurde ihm die Stiftskirche. Noch heute leuchten die Farben der damaligen künstlerischen Innendekoration, unvermindert ist der Glanz ihrer Vollendung, wenn auch die Zeiten manche Farbe satter und manche Vergoldung tiefer gemacht haben. Zwei Jahrhunderte haben eine ehrwürdige Patina auf diese barocke

Pracht gelegt, vielleicht die bezaubernde Harmonie und Melodie des Raumes noch sanfter und sublimer gemacht. Dieses Marienheiligtum, ohnegleichen weit und breit, rühmt Gurlitt als „die glänzendste Leistung der Kunst des 18. Jahrhunderts in Deutschland“. Der Bau des Stiftes wurde unter den nachfolgenden Äbten weitergeführt und fand erst in der Mitte des vorigen Jahrhunderts seinen vollen Abschluß.

Es kamen die Klippen der josephinischen Zeit, die Jahre der Franzosenkriege, die nicht leicht waren für das Haus, das doch an einer großen Heeresstraße gelegen war; es kam während der langen Regierungszeit des Abtes Dorf er (1851 bis 1892) die notwendige Umstellung nach der Zeit des Vormärz. So zahlreich in jenen Jahrzehnten die krisenhaften Situationen waren, so wurden sie doch durch die Klugheit und den Takt der Äbte Wilherings überwunden. Eine neue Aufgabe wurde um die letzte Jahrhundertwende dem Stifte mit der Gründung eines Stiftsgymnasiums gestellt, das unter Abt Gabriel zu einem vollen humanistischen Gymnasium mit dem Rechte staatsgültiger Zeugnisse ausgebaut, die hohen Leistungen des Stiftes für Bildung und Kultur aufs neue bewährte. Konnte es anders sein, als daß auch auf der Wilheringer mönchischen Heimstäte christlicher Kultur dann die Gewaltherrschaft über Österreich lastete? 1938 war zum Abte Dr. Bernhard gewählt worden, ein hochgebildeter Mann, als klassischer Philologe bisher Professor am Stiftsgymnasium. Er ist in dieser barbarischen Zeit der geistigen Knechtung zum Bekenner geworden, der bald der Gestapo verfiel. In die Gefangenschaft geschleppt, starb er am Allerheiligentag 1941 zu Anrath bei Krefeld in Kerkerhaft. 67 Äbte vor ihm hatten die Infel von Wilhering getragen, keinem Jwar sie leicht gewesen, den meisten vielmehr drückend schwer. Dem Abt Bernhard ist sie zur Dornenkrone geworden. 67 Äbte vor ihm haben das Pastorale von Wilhering getragen als Zeichen der Autorität. Manch einer mag sich sorgenvoll darauf gestützt haben. Abt Bernhard ist damit den bittersten Weg gegangen in der achthundertjährigen Geschichte des Hauses. Aber er trug die Palme davon. Am Martinitag 1941 wurde der Sarg Bernhards in die Gruft gesenkt. Dann sanken die Fahnen des Stiftes. Es wurde von den Gewalthabern besetzt. Von der offenen Gruft weg schritten die Brüder am Martinitag zur Neuwahl, um dem Konvent, wenn er auch vom Sturme zerstreut war, ein neues Oberhaupt zu geben.

Achthundert Jahre sind nun vorübergerauscht wie die Wellen des benachbarten Donaustromes. Oft zogen sie wie diese dahin, oft stürmisch bewegt, selten in heiterer Bläue. Und doch stets unaufhaltsam getrieben von einer höheren Macht. Die strömende Kraft, die von hier ausging, wirkte weithin in das Land. Einst war es die Rodung im Wald, die Wilherings Mönche begannen, dann wurde es Rodung in der Wirrnis der Geister. Heute rufen die Glocken wieder zum Chor. Neues Leben erfüllt die ehrwürdige Stätte achthundertjähriger christlicher Kulturarbeit. Jugend bereitet sich vor in der Stille des Noviziates, in Theologie und Hochschulstudien auf künftige Wirksamkeit; der bescheidene Kunstbesitz, nach dem sich habgierige Hände ausgestreckt hatten, ist wieder halbwegs gesammelt und wird wieder der Tradition entsprechend dienstbar gemacht. Nicht in versiegelter Hortung, vielmehr in froher Bereitschaft zum Dienst.

Der Jubiläumstag war dem Hause vor allem ein Dankfest — des demütigen Dankes an den ewigen Gott und Lenker aller Dinge, des frohmütigen Dankes an die himmlische Herrin und Schutzfrau des Ordens und des Hauses; des Dankes und der Treue über die Jahrhunderte hinweg den Gründern und allen Äbten und den Freunden fern und nah.

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