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Alte Geleise in neuen Bahnhofen

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Um den Wiederaufbau unserer durch den Krieg zerstörten oder beschädigten Verkehrsbauten liegt ein Geheimnis gebreitet. Todes-schweigen umgibt die Zukunft unserer zerstörten Bahnhöfe. Nun wurde zum erstenmal der Schleier dieses Geheimnisses ein wenig gelüftet: von der Staatsbahndirektion Linz liegt eine stattliche Broschüre vor, „Wiederaufbau der Hochbauanlagen“. Daß noch weiter um dies Thema herumgeheimnist werden soll, deutet schon der Aufdruck „N ur für den Dienstgebrauch“ an. Aber in der Tat: nur für den Dienstgebrauch! Beim Lesen der Broschüre kann man nur wünschen, daß sie nie in die Öffentlichkeit dringe, vor allem nicht in die ausländische (obwohl sie für den Dienstgebrauch^) zweisprachig — deutsch und englisch — verfaßt ist). Also ihr Inhalt möge Geheimnis bleiben. Denn nur mit Schrecken kann man an ihre Wirkung im Ausland denken, falls man dort darauf verfällt, die österreichische Architektenschaft dafür verantwortlich zu machen. Denn die Entwürfe für die neuen Bahnhofsanlagen, die dort zu sehen sind, stellen ein Höchstmaß an Dilettantismus dar. Noch dazu handelt es sich um Anlagen in einem Gebiet, das für den Fremdenverkehr österreidis von außerordentlicher Bedeutung ist. Zur Staatsbahndirektion Linz gehören die Bahnhöfe von Salzburg, Bischofshofen, Attnang-Puch-heim (Salzkammergut!), Wels usw.

Die Entwürfe stellen architektonisch ein Konglomerat von romantischen und modernen „Motiven“ dar. Bahnhöfe im Bauern-haus„stil“ mit Uhrtürmdien und anderen antiquierten Imponderabilien und — damit die Verbindung zur neuen Zeit, die durch die unmittelbare Nähe der Eisenbahn immerhin überzeugend in Erscheinung tritt, gegeben ist, — mit Betontragdach für den Bahnsteig; aber wie diese Verbindung solcher Elemente gelöst ist! Für den Salzburger Bahnhof ist ein Speisesaal im „Mozartstil“, zum Verwechseln ähnlich mit der Halle eines Ozeandampfers aus dem Jahre 1910, und ähnliches ausersehen. Ist der Geist noch immer nicht erloschen, der die kraftvollen Fresken Faist-auers aus dem Festspielhaus von Salzburg entfernte, um sie durch eine süßliche „mozartische“ Architektur mit Seidentapeten und Kristallustern zu ■ ersetzen, die eher Ähnlichkeit mit einem Kino„palast“ iai Berliner Westen hat als.4mit...österreichischer Bautradition?

Rings um unser Land, in Städten, mit alter Kultur und Bautradition, wurden mit vorbildlichen Lösungen mutig modernste Bahnhöfe errichtet. Florenz hat einen mustergültigen modernen Bahnhof neben Santa Maria Novella gestellt; in Siena, Trient sind ähnliche Aufgaben glänzend gelungen. Das gleiche gilt von modernen Anlagen in alten Städten der Schweiz, Hollands, Belgiens, Skandinaviens.

Als ob Österreich keine Architektenschaft besäße, die imstande wäre, ebensolche Lösungen hervorzubringen! Aber die freischaffenden Architekten sind bis jetzt — mit Ausnahme des Wettbewerbes für den Neubau des Hauptbahnhofes Graz, der von der Staatsbahndirektion Wien vor kurzem ausgeschrieben wurde — zu solchen Aufgaben nicht herangezogen worden. Warum? — Das ist keine Preisfrage, weil sie zu leicht zu beantworten wäre.

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