6611395-1955_01_11.jpg
Digital In Arbeit

Aus Geschichte und Politik

Werbung
Werbung
Werbung

Franz Joseph Freiherr von Gruben. Ein Beitrag zur politischen Geschichte des deutschen Katholizismus im 19. Jahrhundert. Von Heinz Wilfried S i 11 a. Gedruckte Dissertation, Würzburg 1953. 92 Seiten.

Der Gegenstand der Darstellung ist auf den ersten Blick keine faszinierende Gestalt: Ein ziemlich durchschnittlicher Dichter und ein nicht gerade durchschlagskräftiger politischer Schriftsteller mit einer eher tendenziösen und manchmal auch unkritischen Geschichtsbetrachtung und schließlich ein Sozialpolitiker, der in der Richtung seiner Gedanken gelegentlich zwar an seinen großen Zeitgenossen und Schwager Carl Freiherr von Vogelsang erinnert, ihn aber in der Wirkung nie erreichte. Das ist, wie gesagt, das äußere Bild des fürstlich Thum und Taxis-schen Verwaltungsbeamten Freiherrn von Gruben (geboren 1829, gestorben 1888) und dennoch: „er war ein Mann — nehmt alles nur in allem“, ein Mann, dem auf seiner Lebensbahn, unabhängig von seinen irdischen Erfolgen und Mißerfolgen, große, unwandelbare, ewig gültige Ziele leuchteten, die ihm allein sein katholischer Glaube.wies. Schon deshalb hätte Gruben es verdient, daß sich der Historiker mit ihm beschäftigt. Darüber hinaus aber ist seine Gestalt in vielem typisch und damit wird die Darstellung wirklich „ein Beitrag zur politischen Gerichte des deutschen Katholizismus im 19. Jahr-hunlert“, dargestellt an einem Vertreter des westdeutschen, katholischen Adels, dessen traditionsgebundener, religiös-historisch beeinflußter Konservatismus -Jin zu einer ständigen Auseinandersetzung mit dem mächtig emporstrebenden preußischen Staatsgedanken einerseits und den alten, unvergessenen Reichsidealen anderseits führte. Aus dieser Spannung erwuchsen starke Impulse, die auch auf Gruben ihre Wirkung ausübten. Nicht ein klein-deutscher Einheitsstaat, sondern ein umfassender Deutscher Bund war sein Ziel, ein Bund, in dem neben Preußen und der gesamten Donaumonarchie auch jenes „dritte“ Deutschland, zu dessen Vertretern Gruben zählte, gleichberechtigt seinen Platz haben sollte, ein „Mitteleuropa“ auf föderalistischer Grundlage, geführt von deutschen Fürsten, aber unter dem übernationalen Zepter Habsburgs. In diesem Sinne sehen wir Gruben um die Verfassungsreform des Deutschen Bundes bemüht und erkennen in ihm den eigentlichen Autor der sogenannten „Dörnbergschen Denkschriften“. Nach der Einigung Deutschlands wurde er Abgeordneter der katholischen Partei Bayerns und später der Zentrumsfraktion im Reichstag, und in dieser Zeit offenbart sich, vor allem in seinen sozialpolitischen Gedanken, die besonders für den deutschen Katholizismus bezeichnende „liberalkatholische“ Einstellung, die keineswegs immer einem Vertrauen in den Liberalismus als vielmehr aus dem tiefen Mißtrauen gegen den zentralistisch-protestantischen Staat entsprang, dessen Eingreifen auf sozialem Gebiet man aus diesem Grunde unbedingt ablehnte. — Die einwandfreie, saubere Arbeit Sittas wird sicherlich auch in Oesterreich ihre Interessenten finden.

Die Schiffahrt und Flößerei im Räume der oberen Donau. Von E. Neweklowsky. 2. Band. Oberösterreichischer Landesverlag, Linz 1954. 516 Seiten und Bilderatlas II (Bilder 141 bis 350) sowie Tafelbildatlas II (Tafeln 18 bis 36).

Der erste Band dieses umfassenden Werkes, das die obere Donau von der Mündung der Hier oberhalb von Ulm bis Wien behandelt, ist im Jahre 1952 erschienen; in der „Furche“ vom 11. Juli 1953 habe ich ihn gewürdigt. Nach kurzer Pause legt der Verfasser nun den zweiten Band vor, der das Werk abschließt. Sein Inhalt ist wieder sehr reichhaltig: er bespricht die Kraftschiffahrt auf der Donau uud deren Nebenflüssen sowie auf den Seen, die Schifffahrtsgesellschaften, die Fahrzeuge und ihren Bau, das Personal und den Betrieb; dann werden die Schiffleute und Schiffmeister, die Fertiger und Faß-zieher sowie die Schiffahrtsbehörden herangezogen, ja auch Brauch und Glaube, die Sagen, die Schiffmannssprache und die Namen werden nicht übersehen. Das Ganze ist ein Sammelwerk über diesen Gegenstand von solcher Vollständigkeit, wie sie woanders kaum zu finden ist: es übergeht auch nicht kleine und wenig bedeutende Züge. Ihm ist das im ersten Band in Aussicht gestellte Register (S. 455 bis 516) und „Quellenverzeichnis“ (S. 417 bis 436) beigegeben, wobei freilich zu bemerken ist, daß der Verfasser nicht zwischen den eigentlichen, den gleichzeitigen Quellen und dem davon abgeleiteten Schrifttum (Literatur) unterscheidet. Der gut ausgewählte und wohlgelungene Bilderatla schließt in würdiger Form den Band ab. Das ganze Werk ist eine Lebensarbeit, die wieder einmal zeigt, was ein Mensch, der seine Zeit benützt, in einem ihm liebgewordenen Gegenstand leisten kann. Verkehr, Technik, Wirtschaft, Geschichte und besonders die Volkskunde erhalten reichen Ertrag. Dank der vielfältigen, wohlverdienten Beihilfe, die der Verfasser gefunden hat, ist der zweite Band wieder zu einem erschwinglichen Preise (147 S) erhältlich und bei der schönen Ausstattung billig bemessen.

Tanz der Kronen. Roman um den Wiener Kongieß. Von Hilde Knobloch. Verlag Carinthia, Klagenfurt. 278 Seiten. Preis 48 S.

Als Fürst von Ligne, in der Absicht den tanzfreudigen Zaren Alexander zu treffen, spottete, der Kongreß tanze und käme nicht vorwärts, ahnte er nicht, welche bis heute und sicherlich auch weiterhin andauernde Verwirrung er in die Köpfe verschiedener Literaten, sogar oberflächlicher Historiker brachte. Tatsächlich stellte der sich betroffen fühlende Zar den Fürsten zur Rede, der nach dieser Unterredung in einem Brief an Talleyrand die Verantwortung für diesen Ausspruch übernahm: „On a dit que j'ai dit que le Congres danse et ne marche pas. Ce qui fait que rien ne transpire que ces mes-sieurs.“ Zu deutsch: „Man sagt, ich hätte gesagt, der Kongreß tanze und komme nicht vorwärts.“ Ein unübersetzbares Wortspiel, da „transpirer“ sowohl „schwitzen“ als auch „durchsickern“ bedeutet. ..Daher sickert (von den Verhandlungen) nichts durch.“ Oder auch: „Daher schwitzt niemand als die Herren.“

Zu diesem nicht allzu geistreichen Bonmot Lignes in der allgemein bekannten Form sei noch festgestellt, daß Kaiser Alexander keineswegs zum Kongreß gehörte, daß weiter die zwanzig Signatare der Kongreßakte und die übrigen Bevollmächtigten durchweg bejahrte Männer waren, die esunter ihrer Würde gefunden hätten, wie die in Wien versammelte Jugend an den Bällen als Tänzer teilzunehmen.

Die Bezeichnung des vorliegenden Buches als Roman enthebt die Autorin, die nachweisbar seriöse Unterlagen, allerdings recht oberflächlich, benützt hat, keineswegs von der Verpflichtung, allgemein bekannte und erhärtete Tatsachen, Namen und Titel richtig anzuführen, weltbekannte Persönlichkeiten wahrheitsgemäß und nicht gänzlich verzerrt zu charakterisieren, auch minder “wichtige Ereignisse nicht nach eigenem Gutdünken darzustellen. Es geht auch in einem Roman nicht an, z. B. von Talleyrand, der jederzeit das Wohl Frankreichs gewahrt hat, zu behaupten: „Welche Leiden um Frankreichs Thron, bei denen er nicht Geburtshelfer war?“, die durchaus berechtigten Ansprüche der Königin von Etrurien „spanische Anmaßungen“ zu nennen, oder zu erzählen, daß der sonst so sparsame Kaiser Franz, der bekanntermaßen keine Kosten für seine Glashäuser und Gärten scheute, für Blumen „nicht viel übrig jehabt habe“. Auch von der Untreue der als tugendhaft bekannten Gattin Metternichs weiß die Autorin erstaunlicherweise zu berichten. Sie läßt Eleonore Metternich einen von ihrem Gatten stillschweigend anerkannten Sohn das Leben schenken, dagegen „entgegenkommenderweise“ die Tochter der Fürstin Bagration und des schönen Clement von diesem adoptieren, was durch die damals geltenden Gesetze ausgeschlossen war. Solche „Pikanterien“ auf Kosten eines unantastbaren Rufes zu bringen, kann man wahrlich nicht anders a's ungehörig bezeichnen. Die angeführten Stellen mögen gutgläubigen Lesern, die sich auch fragen dürften, welche Kronen während des Kongresses getanzt haben, genügen, um sie über den historischen Wert des Romans aufzuklären.

Wirtschaftspolitik. II. Band. 2. Halbband. Von Walter Heinrich. Verlag A. Sexl, Wien. 344 Seiten. Preis 85 S.

Der Verfasser will, wie er im Vorwort sagt, mit dem vorliegenden Buch einen Katalog wirtschaftspolitischer Maßnahmen für die unteren Stufen der Wirtschaft entwerfen, für die Gebietswirtschaft etwa oder die Stufe der Betriebswirtschaft. Das Vorhaben ist dem Verfasser, das muß mit Genugtuung festgestellt werden, in ausgezeichneter Weis gelungen. Das vorliegende Buch, zugleich der Abschlußband der vom Autor herausgegebenen drei-1 bändigen Wirtschaftspolitik, arbeitet in plastischer und gegenwartsnaher Darstellung heraus, in wel-* eher Art sich auf den nachgeordneten Stufen der Wirtschaft die Wirtschaftspolitik vollziehen muß, damit alle in den ökonomischen Gegebenheiten angelegten Möglichkeiten optimal genutzt werden können.

Im ersten Kapitel des Buches wird die Gebietswirtschaftspolitik behandelt. Interessant, was Heinrich in diesem Kapitel zum Phänomen der Großr Stadt zu sagen weiß.

Das nächste Kapitel ist der Verbandspolitik (den überbetrieblichen Zusammenschlüssen) gewidmet, wobei die gerade heute notwendigen marktkonformen wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die von dieser Stufe ihren Ausgang nehmen müssen, besprochen werden.

Im Abschnitt der Betriebswirtschaftspolitik er weist sich Heinrich als ein kundiger Schilderer der umfassenden Versuche, welche gerade heute im betrieblichen Bereich zum Zweck der Steigerung einer gesamtwirtschaftlich wirksamen Produktivi-tat angestellt werden. Eine besondere Studie beschäftigt sich mit der Betriebsgröße (auf diesem Gebiet ist Heinrich, wie seine einschlägigen Arbeiten zeigen, besonders gut eingearbeitet).

Abschließend befaßt sich der Verfasser mit der Haushalt- und Familienwirtschaftspolitik. Dabei sieht er im Haushalt nicht allein eine Konsumgemeinschaft, sondern einen durchaus wertschöpferisch eingesetzten Betrieb sui generis.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung