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Aus Schutt und Trümmern

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Der Ursprung der Wiener-Neustädter Burg reicht bis auf das Jahr 1194 zurück.

Damals gründete Herzog Leopold V., der Tugendhafte, die Stadt „Wienerisch Neustadt“ an Stelle der verfallenen Feste Pitten an der Dreiländerecke Ungarn, Oesterreich und Steiermark als Bollwerk gegen die Ungarn. Die Stadt Wiener Neustadt erwarb sich in der Folgezeit wegen ihrer treuen Anhänglichkeit an ihren jeweiligen rechtmäßigen Landesherrn den Beinamen der „Allzeit Getreuen“.

Die Nachfolger Leopolds V. bauten diese Babenbergerburg weiter aus.

In ihr wurde auch Friedrich der Streitbare im Jahre 1211 geboren.

Die meisten und wichtigsten Begebenheiten in und um Wiener Neustadt ereigneten sich aber unter Herzog Friedrich V., der 1452 ; in Rom zum römischen Kaiser (Friedrich III.) gesalbt wurde. Dieser kunstliebende Fürst ließ unter anderem in den Jahren 1440 bis 1460 durch den Baukünstler Peter von Pusica die St.-Georgs-Kirche in die Burg einbauen. An der Ostseite dieser Kirche hat sich Friedrich III. mit der Wappenwand als österreichischer Regent ein Denkmal gesetzt. Auch des Kaisers Wahlspruch „AEIOU“ ist an vielen Stellen in der Burg und der Kirche zu ersehen.

Die Maßwerke der gotischen Fenster zieren herrliche Glasgemälde eines unbekannten niederländischen Meisters, die mit jenen der Dome zu Salzburg, Nürnberg und St. Denis zu den besten ihrer Art gezählt werden.

In der Kirche unter dem Altar liegt Kaiser Maximilian I., der letzte Ritter, begraben.

Das Schicksal der Burg war in den nächsten Jahrhunderten sehr wechselvoll. Sie wurde oftmals durch Feuersbrunst und Erdbeben Schwerstens beschädigt und immer wieder aufgebaut.

Im Jahre 1751 gründete Kaiserin Maria Theresia die Theresianische Militärakademie und wies ihr die Burg zu Wiener Neustadt als Heimstätte für alle Zeiten zu.

Der letzte Krieg machte auch vor diesem ehrwürdigen Bauwerk nicht halt. Durch mehrere Bombentreffer und durch einen Brand, der acht Tage hindurch wütete, wurde dieses Baudenkmal fast vollkommen zerstört. Lange Zeit dachte man daran, Burg und Kirche nicht wieder aufzubauen, sondern,; die sfehenfjfWiebenen Reste zu demolieren' und abzutrasehV Erst im Jahre leWhtWKzn, BWÄCirchf wieder' aufzubauen, .fest.

Mit dem Wiederaufbau dieses historischen Bauwerkes wurde durch die damalige Abteilung 5 a des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau die Bundesgebäudeverwaltung II Wien beauftragt. Beim Wiederaufbau sollten viele störende bauliche Maßnahmen, die im Verlaufe der Jahrhunderte entstanden waren, beseitigt werden.

Beim Wiederaufbau der Burg wurde eine freihändige Rekonstruktion vorgezogen; insbesondere sollte der Innenausbau nach modernen Grundsätzen erfolgen. Hingegen sollte das äußere Bild des unter Denkmalschutz stehenden Bauwerkes dem Vorbild der Jahrhunderte getreu erfolgen.

Für den Wiederaufbau der St.-Georgs-Kirche blieb das klassische Vorbild allein maßgeblich.

Die ersten Jahre des Wiederaufbaues galten vollkommen der Sicherung der Burg und Kirche gegen weiterenv Verfall. Riesige Schuttmassen mußten aufgeräumt und abgefahren werden.

In der Kirche stand nur noch eine einzige Säule. Die Gewölbe und der schwere Dachstuhl, ebenso die herrliche Ste'inmalerei an den Wänden und sämtliche Inneneinrichtungen waren zerstört. Nur die Wappenwand war wie durch ein Wunder nur leicht beschädigt worden. Die

Glasmalereien waren schon vor der Zerstörung in ein Bergwerk nach Bad Aussee verlagert worden.

Der eigentliche Wiederaufbau begann wegen großer Materialschwierigkeiten erst im Jahre 1948. An Stelle der alten Dippelbaumdecken wurden moderne Eisenbetondecken eingezogen. lieber den Dächern der Burg wurde anstatt der zweiteiligen, alten Holzdachstühle ein einziger weitgespannter Betondachstuhl mit gleichen seitlichen Neigungen wie die alten Dachstühle und einem flachen Mittelteil errichtet. Lieber dem Kirchenschiff der St.-Georgs-Kirche wurde hingegen ein Dachstuhl in Stahlkonstruktion aufgeführt.

Der Räköczy-Turm an der Nordwestecke der Burg erhielt wiederum sein gotisches Keildach.

In der Burg selbst wurden neue und besser gelegene Stiegenhäuser und zur besseren Belichtung mehrere Lichthöfe eingezogen. Die Gänge wurden begradigt, Niveauunterschiede ausgeglichen und unschöne Blindfenster beseitigt.

Im Jahre 1951 war der erste Wiederaufbauabschnitt beendet. Die St.-Georgs-Kirche war fertiggestellt und die Burg durch den fertigen Rohbauabschnitt gesichert. Am 17. Oktober 1951 weihte Erzbischof Kardinal Dr. Theodor Innitzer die St.-Georgs-Kirche feierlich ein.

In den nächsten vier Jahren wurden aus Geldmangel in der Burg nur Sicherungsarbeiten und weitere Vorbereitungsarbeiten für eine endgültige Fertigstellung durchgeführt.

Erst als Oesterreich im Jahre 1955 seine Souveränität wieder zugesprochen erhielt, wurden die Arbeiten in der Burg wieder aufgenommen. Schon im Jahre 1957 wurde seitens des Bundesministeriums für Landesverteidigung der Antrag gestellt, die Burg schon im Jahre 195 8 für die Unterbringung der Militärakadeirie fertigzustellen. “Der- Arbeitseinsatz im 'nächsten Jahr war enorm und erreichte an manchen Tagen einen Arbeiterstand von 350 Mann. Die Widmung der Räume wurde ähnlich der früheren Widmung vorgenommen. Die Räume an der Außenseite wurden wiederum als Schlafräume ausgebaut, nur besser unterteilt. Nunmehr werden sechs 1 Militärakademiker in einem Schlafraum schlafen, früher waren in einem Schlafraum bis zu 30 Mann untergebracht. An den Innenseiten verbleiben die Lehrsäle wegen der günstigeren Fensteranordnung. Die Speisesäle wurden wieder im ersten Stock untergebracht. Eine modern ausgestattete Küche wurde eingebaut.

Die historischen Räume im zweiten und dritten Stock, das sind der Maria-Theresien-Ritter-Saal, der Ehrensaal und die kaiserlichen Gemächer, erstanden wieder in alter Pracht. Sie dienen weiterhin repräsentativen Zwecken, beziehungsweise wurde in ihnen das Akademiekommando untergebracht. Die ganze Burg ist zentralgeheizt. Die Wärme wird von einem nahen Kesselhaus mit Fernheizsträngen bezogen.

Der Charakter einer modernen Schule wird verstärkt durch die modernen Fernsprechanlagen, Lautsprecher- und Feuermeldeanlagen sowie durch die schönen Schmuckuhren an den Gängen, die gemeinsam mit der Turmuhr von einer zentralen Uhrenanlage aus gesteuert werden. Die Fassaden wurden vollkommen überholt und geben dem Aeußeren der alten Burg ein festliches Gepräge.

Der Wiederaufbau der alten Burg in Wiener Neustadt und der St.-Georgs-Kirche kann als das Ergebnis einer einzigartigen Zusammenarbeit zwischen allen am Wiederaufbau dieses historisch so bedeutungsvollen Bauwerkes beteiligten Stellen bezeichnet werden.

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