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Aus vier Jahrtausenden

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Über vier Jahrtausende spannt sich der Bogen europäischer Religionsgeschichte und ihrer markanten Gedenkstätten, die wir auf zwei Urlaubsreisen besuchten. Die erste Reise führte von Wien die jugoslawische Küste entlang nach Griechenland. Sie wurde mit einem VW 1500 unternommen. Die zweite Fahrt war eine Spanien—Portugal-Reise, die wir mit unserem VW 411 absolvierten. Da wir auf größere Fahrtęn einen Caravan benützen — das kann bis zu einer Art von Weltanschauung ausarten —, hatten beide Fahrzeuge nicht wenig auszuhalten. Ein VW mit Caravan jedoch ergibt, unserer langjährigen Erfahrung nach, so ungefähr die sicherste Voraussetzung für möglichst pannenloses Fahren, ob sich das nun auf die individuelle Gestaltung einer Reise, die mitunter recht leidige Quartiersfrage oder das klaglose Funktionieren des Fahrzeuges bezieht.

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Über vier Jahrtausende spannt sich der Bogen europäischer Religionsgeschichte und ihrer markanten Gedenkstätten, die wir auf zwei Urlaubsreisen besuchten. Die erste Reise führte von Wien die jugoslawische Küste entlang nach Griechenland. Sie wurde mit einem VW 1500 unternommen. Die zweite Fahrt war eine Spanien—Portugal-Reise, die wir mit unserem VW 411 absolvierten. Da wir auf größere Fahrtęn einen Caravan benützen — das kann bis zu einer Art von Weltanschauung ausarten —, hatten beide Fahrzeuge nicht wenig auszuhalten. Ein VW mit Caravan jedoch ergibt, unserer langjährigen Erfahrung nach, so ungefähr die sicherste Voraussetzung für möglichst pannenloses Fahren, ob sich das nun auf die individuelle Gestaltung einer Reise, die mitunter recht leidige Quartiersfrage oder das klaglose Funktionieren des Fahrzeuges bezieht.

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Gerade Kulturdenkmäler, die ihr Entstehen einer Religionsgemeinschaft verdanken, haben stets die größte Dauerhaftigkeit bewiesen, vor allem deshalb, weil sie mit besonderer Sorgfalt errichtet und vom Volk gepflegt und erhalten wurden. Bis zum 19. Jahrhundert durch lange Zeiten verschollene Heiligtümer hingegen konnten dank ihrer einstigen Berühmtheit leichter wieder entdeckt und ausgegraben werden als vielleicht so manches andere Kunstwerk, das noch immer irgendwo in der Erde schlummern mag.

Eine der ältesten europäischen Gedenkstätten dieser Art ist Dodone im nordwestlichen Griechenland. Das Orakel von Dodone war fast 2000 Jahre lang verschollen. Es ist auch heute im allgemeinen wenig bekannt. Herodot nennt es das aller- älteste Orakel der Hellenen. Schon die Pelasger beteten dort zu ihren namenlosen Göttern. Nach Befragung des Orakels, ob sie die Namen der Götter in Gebrauch nehmen sollten, die sie von den Ägyptern erfahren hatten, erhob das Orakel seine Stimme: „Braucht sie!“ Dodone ist jedenfalls die älteste Zeus-Gedenkstätte, die es gibt. Nach den Ausgrabungen zu schließen, würde • hier schon 2100 vor Christus gebetet. Mehr als eineinhalb Jahrtausende hindurch hat es hier jedoch keinen Tempel, sondern nur die Heilige Eiche des Zeus gegeben, die keinen Tempel duldete. Der älteste Zeus- Kult fand unter freiem Himmel statt. Der ganze heilige Bezirk war von bronzenen Dreifüßen . mit Kesseln umgeben, deren Wände einander berührten. Wurde eines dieser Bek- ken angeschlagen, dann setzte sich dieser Ton von Kessel zu Kessel fort. Anschlag, Wind, Luftfeuchtigkeit und Temperatur bewirkten jeweils ein anderes Singen des Metalls. Die Priester und Priesterinnen wußten den Klang zu deuten und in Worte umzusetzen.

150 n. Ohr. war die mächtige Eiche noch zu sehen, und das Orakel gab noch immer Antwort. 200 Jahre später lag Dodone bereits still und verlassen da.

Dodone besitzt aber auch das besterhaltene Theater Griechenlands. In den rohen Titan-Stein haben grandiose Baumeister ein riesiges Halbrund gehauen. 58 Reihen steinerner Sitze gab es dort, die 18.000 Zuschauer aufnahmen.

Das Geheimnis von Delphi

Das wahre Geheimnis Dodones ist aber immer noch nicht gelüftet, ebensowenig wie jenes des Orakels von Delphi.

„Von den ältesten Ursprüngen an ist Delphi der hervorragendste Orakelort der Erde ...“, heißt es bei einem Kenner Delphis, und: „Diese Stätte ist eines der größten Rätsel der gesamten menschlichen Geschichte ...“ Dichter, Forscher, Althistoriker, Religionswissenschaftler und Archäologen haben sich 2000 Jahre lang bemüht, das Geheimnis des delphischen Gottes äufzudecken. Aber Delphi hat die Schleier seiner erhabenen Heiligkeit nie gelüftet, sagt Ivar Lissner.

Schon 1600 v. Chr. war das Orakel in der ganzen damaligen Welt berühmt. In ältester Zeit soll die Orakelstätte weiblichen chthonischen Gottheiten geweiht gewesen sein. Sie waren die ältesten Prophetinnen, die am Hang des Parnass Antwort gaben. Hier öffnete .die Erde ihren Mund all jenen, die den Rat der Muttergöttinnen brauchten.

Delphi nun liegt am unteren südlichen Abhang des Parnass in wilder, großartiger Bergeinsamkeit in der Nähe des Golfes von Korinth. Der Ort barg das größte und wichtigste Heiligtum der griechischen Welt. Und der Gott, dem es in geschichtlicher Zeit zugehörte, war der griechischeste aller Götter: Apollon. Unter den Göttern der gesamten Menschheit ist Apollon am wenigsten faßbar. Dieser „freundlichste aller Götter“, wie Piundar schreibt, setzte an die Stelle des „Blut um Blut“ der alten Gottheiten Reue, Reinigung, Versöhnung und göttliche Gnade. Er war ein Seelenarzt, ein durch und durch europäischer Gott. Von der tiefen Weisheit seiner

Verkünder zeugt der Spruch: Erkenne dich selbst!

Fresken und Ikonen

Wer seinem Fahrzeug Straßen unter Expeditionsbedingungen zutrauen darf, der sollte, einmal in Jugoslawien, nicht versäumen, der albanischen Grenze entlang über den Cakor-Paß und durch die Rugovo- Schlucht nach Peč zu fahren. Diese kleine, heute in ihrem älteren Teil noch vorwiegend mohammedanisch anmutende Stadt am Fuße hoher Berge war einst der Mittelpunkt der serbischen Kirche. Das berühmte Patriarchenkloster aus dem 14. Jahrhundert mit seiner Apostel-, Demetrius- und Muttergotteskirche war Jahrhunderte hindurch Sitz der Patriarchen. Die Kirchen bergen schöne Fresken. Sarkophage serbischer Kirchenfürsten und Schatzkammern mit wertvollen Ikonen geben Zeugnis von der einstigen Bedeutung dieses religiösen Mittelpunktes.

Nur wenige Kilometer von Peč entfernt befindet sich in einer Wald- schlucht eine der größten und schön sten serbischen Klosterkirchen, die zum Kloster Visokį Dečani gehört. Der um 1330 errichtete byzantinische Bau mit seinem für Serbien außergewöhnlich hohen Inneren, den farbigen Marmorplatten und den über tausend Fresken ist eine Sehenswürdigkeit ersten Ranges. Hier drängl sich die Frage auf, wo wohl das serbische Volk, wo der ganze Balkan heute stünden, wenn nicht am verhängnisvollen Veitstag des Jahres 1389 auf dem nahen Amselfeld die Türken über den Serbenzar jenen Sieg davongetragen hätten, der ihnen eine mehr als 500jährige Herrschaft in diesem Gebiet sicherte. Blutrot färbt die Blume Bozur im Frühjahr das Amselfeld, das serbisches Blut getrunken hat.

Religion und Nation

Was Serbien nicht vermochte, das brachte Spanien hervor: eine wahrhaft überragende Gestalt unter den Befreiern vom fremden Joch. Burgos, eine Stadt mit relativ rauhem Klima — „Neun Monate Winter, drei Monate Hölle!“ — war die Geburtsstadt des Nationalhelden Spaniens, des Rodrigo Diaz de Vivar, „El Cid“ (der Herr) genannt. Er wurde für die Spanier durch seine Siege über die Araber zum Symbol für ihren zähen Kampf gegen die Fremdherrschaft, einen Kampf, der ihnen letztlich auch die Freiheit brachte.

Die Kathedrale von Burgos ist wohl eine der großartigsten und eindrucksvollsten gotischen Kirchen Europas, ein Bauwerk aus marmorartigem, weißem Kalkstein. Außergewöhnlich schön sind die durchbrochenen Helme der beiden Haupttürme, ist die große Fensterrose, aber auch das Innere der Kirche mit seiner lichten Höhe. Unter der Kuppel ruht der Cid mit seiner Gemahlin Jimena.

Religion und Seefahrt

Wie sehr in der Christusritterburg zu Tomar, inmitten Portugals, die europäische Geschichte mitbestimmt wurde, ist heute nicht mehr zu ermessen. Nach Auflösung des hier ansässigen Templerordens im Jahre 1314 wurde der Orden der Christus- ritter gegründet und erlebte unter dem berühmten Großmeister Heinrich dem Seefahrer, dem jüngeren Sohn Johanns I„ seine Glanzzeit. Dieser Orden leitete aus religiösen Gründen die später erst kommerziell gewordenen Kolonialerwerbungen der europäischen Völker ein. Gegen Ende des 15. Jahrhunderts war der Orden durch seine Besitzungen in Afrika und Ostindien der reichste der Christenheit.

Was soll man von einem Zufall halten, der uns gerade an jenem Tage nach Tomar führte, an dem sich die Menschheit eben zur größten Kolonisierung ihrer Geschichte an- yschickte? Es war der Tag, an dem Aldrin und Armstrong auf dem Mond landeten.

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