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Austria extenditur in orbem universum

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Ein Freskogemälde Pinturicchios in der Dombibliothek von Siena zeigt die Begegnung Friedrichs III. und Leonores von Portugal. Bischof Enea Silvio Piccolomini, der spätere Huimanistenpapst, segnet das Brautpaar mit milder Hand. Im Hintergrund der höfischen Szenerie ragen die Wappen des Reiches und Portugals. Der Doppeladler verbindet sich den lusitanischen Wappenpfeilem, die schon auf Madeira und Afrikas grünem Vorgebirge aufgepflanzt wurden; das farbenfrohe Bild des Quattrocento markiert eine Weltwende zur „Neuzeit“. Die Casa de Austria erlangte die oberste Würde der Christenheit, der Rest des byzantinischen Ostreichs versank, und Cristobal Colon wurde geboren, der Entdecker der Neuen Welt. So rückt dieses Renaissancegemälde eines kaiserlichen Romzuges das Stadtjuwel von Siena in weltgeschichtliche Beziehungen zu Österreich, dessen Meisterhände an den Türmen und Domen von Pisa, Mailand und Pienza wirkten.

Die Ehe der Eltern Friedrichs III. war noch ins Licht ritterlicher Romantik getaucht. Ernst der Eiserne — wie schon der Name sagt, eine eher sportliche Erscheinung — hatte von seltenen Tugenden einer masowiisdhen Prinzessin vernommen. Er brach von Graz nach Krakau auf, um unerkannt im Turnier das Herz seiner Schönen zu erstreiten. Hier wurde er bald an der Faktur seiner Schwertstreiche erkannt; der polnische Königshof gewährte ihm die

Hand der lieblichen Litauerin aus Jagiellos Stamm.

Der Eiserne der Steiermark und die litauische Riesin wären passende Eltern eines Machtmenschen am Anfang einer Weltmacht gewesen, doch sie zeugten einen Gelehrten. Der Neuvermählte, der nun von Siena nach Rom zur Kaiserkrönung zog, wurde nicht umsonst Friedrich der Friedfertige genannt und war weder geneigt noch geeignet, die eisenklirrenden Tage Barbarossas zu erneuern. Beim Einzug in Viterbo fiel ge- waffnetes Gesindel den Kaiserzug an, riß den Goldbaldachin über Friedrichs Haupt weg und haschte nach seines Hutes Edelsteinen. Das Gefolge zog blank, doch der „Friedfertige“ rief dem . päpstlichen Legaten „lebhaft“ zu, er wolle keine Gewalt, und ergriff den Stock eines Dieners. Geistlichkeit und Ritterschaft folgten seinem Beispiele und prügelten den Platz von Viterbo leer. Mit diesem unblutigen Präludium hob eine Weltzeit zwanzig österreichischer Kaiser an, die von der Barockhistorik als „zehnte Herr- schung“ seit Ägypten und Assur gezählt wurde.

Ein römischer Wappenstein bei Santa Maria delFAnima trägt die budistabenmagische oder zahlenmagische Devise des Friedfertigen Friedrich. Man findet sie auf seinen Bauten, zumeist in seinen geliebten Büchern, hier auch von eigener Hand: AEIOU hab’ ich’s selbst gedacht. Hingegen die vielberufenen Vokale mit Dante zusammen, wies die orientalisch wirkende Schluß schlinge auf Friedrichs frühe Levantereise? Jahrhunderte mühten sich um Erkenntnis, nicht weniger als dreihundert Deutungen wurden ausgeklügelt, ihrer eine aiber wurde Wahrwort: Austria extenditur in orbem universum. Nicht durch Gewalt, sondern durch Fügung umwuchs ein Reich das Erdenrund. Im Laufe eines Jahrhunderts umgürtete es den Globus, den die Kaiser des Mdttelalters nur als symbolischen Reichsapfel trugen, und umspann buchstäblich „der fernsten Völker lebensfrohe Menge“.

Die Erbgeschwindigkeit des Wachstums betrug vierhundert Kilometer jährlich, doch die Zeitgenossen des Friedfertigen bekamen wenig Kaisermacht zu sehen. „Mein Sohn“, sagte Leonore von Portugal zu Maximilian, „wären alle Fürsten wie dein Vater, mich reute dein fürstlicher Stand!“ Indessen, ihre Befürchtung war grundlos; es war viel Sprunghaft-Portugiesisches in diesem geistvollen „letzten Ritter“, „dessen Heimat der Steigbügel und dessen Thron der Sattel war“. Unter Maximilians fehdereicher Regierung vollzog sich der Heimfall des bur- gundischen Märchenlandes und Spaniens, bezeichnenderweise wieder nicht durch Schwertgewalt. Der Bogen dieses geheimnisreichen Jahrhunderts spannte sich nicht über Siegen, sondern über den Niederlagen von Nancy, Mohacs und Quasr el Quabir, und Spanien wurde österreichisch, weil ein Prinz aus Liebe starb und die letzten der Trastamara ihm vorzeitig ins Grab folgten.

Inzwischen wuchs das Weltreich mit bestürzender Schnelligkeit; nach dem Urteil des belgischen Zeitgenossen de Parival nicht allein durch Heiraten, sondern durch „Navigation“. Die Gesamtheit der Ozeane wurde zum Binnenmeer Europas.

Ein unmittelbarer Anteil der österreichischen Erblande an der Erde fehlte nicht. Die Wiener MatJhe- matikerschulę erarbeitete astronomische Tafeln und Beobachtungsinstrumente, die, in Nürniberg perfektioniert, Kolumbus, Vespucci und ihren Nachfolgern zugute kamen. Die erst seit kurzem bekannter gewordenen Namen der Oberösterreicher Johannes von Gmunden und Georg Peuerbaeh, des Vorarlbergers Münzer und des Steyrers Stabius sind von der geistigen Vorgeschichte des Zeitalters der Entdecker nicht zu trennen. Wahlösterreicher und gebürtige Österreicher leisteten bedeutende Beiträge zur Bewältigung eines bestürzend neuen Weltbildes, zur ersten flächentreuen Herzprojektion der Erdkugel und ersten Nürnberger und Brixner Globen. Im Aufträge Maximilians I. empfahl Münzer dem portugiesischen Vetter des Kaisers eine Ohinafa'hrt mit Ritter Behaim als wissenschaftlichem Beirat; diese kosmographische Begleit musik der spanischen Doppelhochzeit Margarethes und Philipps zu Lierre und Burgos verhallte nicht ungehört. Von Vasco da Gamas zweiter Indienfahrt berichten Federzeichnungen eines Wiener Codex. Der Tiroler Springer lieferte eine bebilderte Beschreibung der „Meerfahrt und Erfahrung neuer Schiffung und Wege zu vielen anerkannten Inseln und Königreichen“ an Asiens Küsten. Nach Margarethes von Österreich stürmischer spanischer Brautfahrt wurde eine Insel vor der Küste Venezuelas zu „Margarita“. Philipp dem Schönen aber folgte der Philippsname, wurde zum klassischen spanischen Königsnamen eines Jahrhunderts und machte geographische Schule bis zu den Philippinen. Freiburg im Breisgau, die zweite österreichische Universität, stand der ersten nicht nach; vor allem fand der Vorderösterreioher Martin Waldseemüller aus Radolfszell ungewollt universale Resonanz. In seiner Maximilian zugeeigneten Kosmographie brachte er für die neue Welt im Westen den Namen Amerika in Vorschlag; seihe späteren Berichtigungsvorschläge blieben erfolglos, allzugut paßte das klangsym metrische Wort Amerika zu Asien und Afrika. Wenig später wurde auch Herberstein durch seinen moskowitisohen Gesandtschaftsbericht zum unfreiwilligen Anreger einer nordöstlichen Durchfahrt durch das Eismeer; er hatte den sibirischen Ob, den Erzherzog Sigismunds des Münzreichen „tirolischer Kolumbus“ nicht zu erreichen vermochte, aus einem See Kitay entspringen lassen, so daß China in lockender Nähe schien. Herbersteins Zeitgenosse Magellan, der erste Weltumseglei-, gab dem größten Ozean der Erde den Namen eines Pazifik, von den überwundenen Säulen des Herkules verbreitete sich der Begriff des Atlantik, und auf der geschichtlichen Scheitelhöhe des Weltreiches wurde für alles unbekannte Südland der Erde bis zum Südpol der Begriff eines „österreichischen Landes“ geprägt. Insgesamt wurde mehr als die Hälfte der Erdoberfläche von Kos- mographen und Admirälen der Casa de Austria benannt. Im Zeichen des Hauses Österreich wurde das Universale Ereignis: Austria extenditur in orbem universum.

Aus: „Österreich in Übersee", Verlag Herold, Wien-München, 1966.

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