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Awaren in Österreich

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Vor einiger Zeit wurden Awarengräber bei Liesing festgestellt, deren sachgemäße Ausgrabung und wissenschaftliche Auswertung im Gange ist.

Es dürfte von einigem Interesse sein, einen geschichtlichen, kulturellen und anthro-pologisdien Überblick des Awarenvolkes zu geben, das im Zuge der Völkerwanderung eine nicht unbedeutende Rolle als die aus dem Osten nach Europa vorstoßenden Gegenspieler der süd- und ostwärtswandernden Germanen gespielt hat.

Gleich den Hunnen gehörten die turko-tatarischen Awaren den viehzüchtenden Uralaltaiern an und führten die von den ersteren versuchte Umschichtung Osteuropas weiter. Von den Chinesen „so-so“ genannt und mutmaßlich mit ihren gefürchteten „juan-juan“ identisch, ist ihr Name von dem persischen Worte „awar“ — dessen Verdeutschung „Bandit“ bedeutet — herzuleiten. Bei ihrem Eintritt in das Blickfeld der europäisdien Geschichte handelt es sich wohl nur mehr um ein von einer turkotatarischen Oberschichte geführtes Volkstum, das schließlich zur Gänze in die einst von ihnen beherrschten Slawen aufgegangen ist. Nach Kämpfen mit den Ui-guren, westlichen Hunnen und Sahiren erscheinen sie 460 im Gebiet zwischen dem Asowschen Meer und dem Don. DerKaspisee und folgenden Turkstämmen ausweichend, stießen sie einesteils in nordwestlicher Richtung längs des Dons und anderenteils in südlicher Richtung über den Kaukasus vor. In ihrem Gefolge erscheinen zwischen 518 und 527 auch erstmalig die Slawen an der unteren Donau. Trotz einer engen Verknüpfung dieser beiden Völker läßt die Form ihrer Bestattung die Unterscheidung erkennen: die Gräber der Awaren als eines prunkliebenden Reitervolkes, weisen öfter prachtvolle Gürtelgarnituren westsibirisch-sarmatischer Herkunft auf, dagegen bilden die als Schmuckstücke dienenden „Schläfenringe aus Bronze“ das kennzeichnende Objekt altslawischer Bestattungen. Wohl war ursprünglich auch der rassische Unterschied groß, da die ersteren paläoasiatisch-hochtungide und letztere europid-nord-rassische Merkmale zeigten, doch jahrhundertelanges Zusammenleben führte infolge inniger Vermischung zur Verwischung der reinen Typen.

557 boten die Awaren dem byzantinischen Kaiser Justinian ihre Dienste an. Nach Besiegung der Slawen und Bulgaren an der unteren Donau ließen sie' sich in Dacien und Ostpannonien nieder. 562 stieß ein Zweig von ihnen über die Moldau, Ost-galizicn und Bessarabien bis an die Elbe vor und die slawisdie Gefolgschaft konnte sich in dem von den Franken freigegebenen Gebiete östlich der Saale und Elbe niederlassen. Jetzt kommt es auch zur Berührung zwischen den Awaren und den Germanen. Ein Zweig der ersteren sdiloß mit dem fbn ihnen 566 besiegten Frankenkönig Giesbert ein Bündnis ab, dagegen unterstützte ein anderer 568 den Langobardenkönig Alboin bei der Vernichtung des Gepidenreiches. Nun besetzen die Awaren das westliche Pannonien sowie Syrmien. Unter ihrem „Chagan“ genannten Oberherrn „Bajan“ beherrschten sie das zwisdien Donau, Alpen und Schwarzem Meer gelegene Gebiet, das in sieben Ringe unter der Führung von „Tudun“ genannten Fürsten aufgeteilt wurde. Als Westgrenze ist die Enns zu nennen. Da Herzog Theodo von Bayern alles Land östlich der Traun räumte und seine Hauptstadt von Lordi nach Regensburg verlegte, konnten die Slawen aus Karantanien in das Bergland vordringen. Das Gebiet zwischen Traun und Wiener wald verödete jedoch gänzlich. Kämpfe mit Langobarden, Franken und Byzantinern kennzeichnen die Glanzzeit der Awaren, die mit dem 630 erfolgten Ableben Bajans sowie dem Abfall der Slawen unter dem Franken Samo und dem der Bulgaren ihr Ende fand. 730 befreite Herzog Odilo von Bayern die Karan-tanen vom awarischen Joch. Wohl stießen die Awaren 783 noch einmal bis an die Enns vor, doch wurden sie am Ybbsfeld von den Bajuvaren. geschlagen. 790 setzte unter Karl dem Großen der bis 807 dauernde Endkampf gegen sie ein. Ausgelöst wurde er durch die Unterstützung des aufständischen Bayernherzogs Tassilo durch die Awaren. Diese mußten sich bis an den Kamp tfnd Wienerwald zurückziehen. 701 gelang es den Franken, im Bunde mit Bajuvaren, Friesen und Sachsen, bis an die Raab vorzustoßen. Als die Awaren einen neuerlichen Aufstand der Sachsen förderten, zerstörte 796 Pippin und Erich von Friaul den Hauptring ihres Reiches zwischen Theiß und Donau. Der Tudun mußte Karl dem Großen die Treue schwören und wurde in Aachen getauft. Gleichzeitig wurde die „awarische“ oder „pannonische“ Grenzmark errichtet, von der aus mehrere awarische Aufstände wirksam unterdrückt werden konnten. An Stoßkraft geschwächt, wanderte ein Teil der Awaren mit den über die Theiß zurückgehenden Bulgaren aus, der andere ging in der sich ständig vermehrenden slawischen Bevölkerung unter. Vor Einbruch der Magyaren verschwanden die Awaren endgültig aus der Geschichte.

Der 'rassenmäßige Aufbau der Awaren und ihrer Nachbarvölker, seien es Gepiden oder Langobarden oder Altslawen, zeigt zwei bemerkenswerte Tatsachen, nämlich einerseits den Zusammenprall der aus dem Osten kommenden Mongoliden mit den Europiden des Westens sowie eine verschieden starke biologische Vermischung.

Man unterscheidet zwei awarische Typen, und zwar stehen dem rundköpfig-paläo-asiatischen von mongolidem Charakter ein langköpfig-protonordischer gegenüber. Der erster, als Typus von Mososzentjanos bekannt, ist aus Funden von Uellö, Oeskü und Juntas sowie aus Margarethen am Moos festzustellen. Der Typus von Tiszadersz wurde im östlichen Ungarn festgestellt und dürfte stärkeren germanischen Einflüssen zuzuschreiben sein. Außer dem Awarenfund von Margarethen am Moos befinden sich in Wien noch solche von einem Gräberfeld aus Zillingstal sowie aus Mistelbach. Ihre Begleiter waren die Slawen. Altslawische Schädel aus Kärnten, Steiermark, Ober-und Niederösterreich (Naturhistorisches Staatsmuseum in Wien) sind überwiegend langschädelig und durch ein langausgezogenes, kegelförmig zugespitztes Hinterhaupt gekennzeichnet. Der heutige Slawentypus unterscheidet sich deutlich von den Altslawen, wenngleich unter Slowenen vereinzelte Vertreter desselben vorkommen. Unter den als Gegenspieler der Awaren zu bezeichnenden Langobarden zeigen solche aus Niederösterreich den Typus der germanischen Reihengräber, die aus Nikitsch im Burgenland stammenden Langobardenschädel sind dagegen rundförmig und mäßig mongolid. An diesen Schädeln ist auch jene merkwürdige Form der Schädeldeformation festzustellen, die uns von hunnischen sowie auch gepidischen Schädeln aus Kroatien bekannt ist und wohl auf hunnisch-sarma-tische Einflüsse zurückgeht.

Studien Lebzelters an der burgenländi-schen Bevölkerung lassen folgende historische Entwicklung heute noch deutlich erkennen: Zwischen Neusiedlersee und dem Leithagebirge sitzen Nachkommen der karo-lingischen Besiedlung, die im 16. Jahrhundert durch schwäbische Siedler ergänzt wurde; in den Weinorten am Neusiedlersee leben die gleichen Elemente wie in Niederösterreich; ein sehr altes, vielleicht bis in die Germanenzeit zurückreichendes Element dürfte im Räume zwischen Mattersburg und Eisenstadt vorhanden sein; das Gebiet um Ober-Pullendorf besiedelten nach der Türkenzeit Kroaten, und zwisdien Bernstein und Güns ließen sich 'Magyaren mit ihren ostbaltisch-finnischen Szeklertypus und dem protonordisdi-turaniden der Awaren- und Altmagyarenzeit nieder; während wir in den „Heanzen“ ein nordisch-keltisches Element zu erblicken haben, sind die Kroaten des Güssinger Hügellandes fortlebende illyrische Elemente; den Jennersdorfer Bezirk bewohnen Mensdien vom Typus der Ost-steirer.

Es zeigt sich deutlich, daß die wechselvolle Gesdiidite der Völkerwanderungszeit, der Aufeinanderprall von West und Ost, heute noch seine deutlichen Spuren im östlichen Grenzland Österreichs, im Gebiete der ehemaligen „awarischen“ Grenzmark, zurückgelassen hat.

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